Ausgabe Dezember 2020

Die Islam-Linke oder: Die Vereinigung des Zorns

8. November 2020, Dhaka, Bangladesch: Aktivisten der islamischen politischen Partei Jomiyote Hizbollah in Bangladesch versammeln sich zu einer Demonstration, die zum Boykott französischer Produkte aufruft und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron wegen seiner Äußerungen über Karikaturen des Propheten Mohammed anprangert.

Bild: imago images / ZUMA Wire

Im Jahr 1994 veröffentlichte der Vorsitzende der Socialist Workers Party, einer winzigen, der Vierten Internationalen zugehörigen britischen Partei, einen langen Artikel mit dem Titel „Der Prophet und das Proletariat“.[1] Er plädiert darin für ein Bündnis von radikalen linken und muslimischen Verbänden, die man seiner Ansicht nach zu Unrecht als rückschrittlich erachtete. Die der Herde verlorengegangenen Schafe des Islams sollten im Dienste der einzig würdigen Sache mobilisiert werden: der Zerstörung des Kapitalismus. „In der Vergangenheit hat die Linke zwei große Fehler in Bezug auf die Islamisten begangen: Der erste bestand darin, die Islamisten als gewöhnliche Faschisten zu betrachten, mit denen keinerlei Gemeinsamkeiten bestünden. Der zweite bestand darin, sie als progressive Kräfte zu betrachten, die nicht kritisiert werden dürfen. Diese beiden Fehler haben zusammen dazu beigetragen, dass die Islamisten sich auf Kosten der Linken so stark im Nahen Osten ausbreiten konnten. Der Islam war wie alle großen Religionen stets in der Lage, sich an die materiellen Situationen anzupassen und zwischen zwei Versprechen hin und her zu pendeln, indem er den Unterdrückten einen gewissen Schutz vor den Unterdrückern und diesen wiederum Schutz vor einem Umsturz versprach.

Dezember 2020

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