
Bild: US-Präsident Joe Biden äußert sich im East Room des Weißen Hauses in Washington D.C. zu dem Terroranschlag am 26. August 2021, bei dem auf dem Hamid Karzai International Airport in Kabul US-Soldaten getötet und verwundet wurden. (IMAGO / UPI Photo)
Militärische Rückschläge, gar Rückzüge können sich in der historischen Retrospektive durchaus als Startpunkte politischer Erfolgsgeschichten erweisen. Der Abzug der US-Truppen aus Südvietnam, abgeschlossen im Frühjahr 1973, ist – entgegen der landläufigen Annahme – ein Beispiel dafür. Seit den frühen 1960er Jahren hatten die USA immer mehr Soldaten ins Land geschickt, aber eine verlässliche Stabilisierung der von ihnen unterstützten Regime in Saigon hatten sie dabei ebenso wenig erreicht wie eine dauerhafte Zurückdrängung des Vietcong – und das, obwohl die USA vor einer permanenten Eskalation der Kriegführung nicht zurückgeschreckt waren, als sie, um die Unterstützung des Vietcong aus dem Norden zu unterbinden, sich zur massiven Bombardierung Nordvietnams und schließlich zur Ausweitung des Krieges auf Laos und Kambodscha entschlossen hatten. Partiellen Erfolgen des Militärs stand zuletzt ein verheerender Glaubwürdigkeitsverlust der Politik gegenüber. Die Massaker von My Lai wurden zum Symbol dafür, dass die USA die Werte, für die sie zu kämpfen beanspruchten, im Verlauf des Krieges immer mehr desavouiert hatten. Schließlich übertraf die fortgesetzte politische Selbstdemontage bei weitem die Furcht vor einem militärischen Reputationsverlust, der mit dem Abzug aus Vietnam verbunden war.