Ausgabe März 2022

Corona-Proteste: Die Radikalisierung der bürgerlichen Mitte

Demonstrierende auf den »Montagsspaziergängen« in der Kölner Innenstadt, 14.2.2022 (IMAGO / Future Image)

Bild: Demonstrierende auf den »Montagsspaziergängen« in der Kölner Innenstadt, 14.2.2022 (IMAGO / Future Image)

Dass die „Spaziergänge“ keineswegs harmlose Spaziergänge sind, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Die bundesweiten Aufmärsche gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, seit Monaten organisiert unter maßgeblicher Beteiligung von rechtsextremen Gruppen, sind vorab meist nicht angemeldet.[1] Und selbst wenn, häufen sich Verstöße gegen die von den Behörden verordneten Auflagen. Vor allem aber zeugen die Proteste, bei denen es vordergründig um Masken, Tests und die viel diskutierte Impfpflicht geht, von einer Radikalisierung von Teilen der bürgerlichen Mitte. Diese fühlen sich zum „Widerstand“ gegen „das System“ und eine angebliche „Corona-Diktatur“ verpflichtet. Diese Radikalisierung stellt eine ernsthafte Bedrohung der Demokratie und der solidarischen Gesellschaft dar. Besonders fatal dabei ist, dass die Politik diese Bewegung auch nach mehr als zwei Jahren Pandemie noch immer unterschätzt.

Dabei waren die Corona-Proteste zu keiner Zeit harmlos. Nicht zu Beginn im Frühjahr 2020, als sich der Hass zunächst gegen asiatischstämmige Menschen richtete, die angeblich das Virus nach Europa eingeschleppt hatten und deshalb angepöbelt und bespuckt wurden. Und auch dann nicht, als sie sich gegen Geflüchtete richteten, die als Überträger der Krankheit gebrandmarkt wurden. Aus diesem „Corona-Rassismus“ entwickelte sich in rasender Geschwindigkeit ein politisches Virus, das sich in der Gesellschaft ausbreitete.

März 2022

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.