Ausgabe Januar 2025

Mit Selbstkritik und Zuversicht

Wie die progressiven Kräfte aus der Defensive kommen

Ricarda Lang auf der 50. Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Wiesbaden, 16.11.2024 (IMAGO / Eibner)

Bild: Ricarda Lang auf der 50. Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Wiesbaden, 16.11.2024 (IMAGO / Eibner)

Vor drei Monaten bin ich gemeinsam mit Omid Nouripour als Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen zurückgetreten. Seitdem ist eine Menge passiert: Donald Trump wurde zum zweiten Mal zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt und die Ampelkoalition zerbrach, nun auch formal. Das bemerkenswerte Resultat: Mit dem Ampel-Aus entwickelte sich nicht nur in meiner Partei ein neuer Schwung, der sich vor allem durch eine Rekordzahl neuer Mitglieder ausdrückt, sondern auch in den Umfragen geht es bergauf. Es wäre also einfach, die Krise aus Sicht der Grünen für beendet zu erklären, sich voll in den Wahlkampf zu stürzen und Vorbereitungen für mögliche Koalitionsverhandlungen zu treffen. Es wäre einfach und verlockend, aber unklug. Denn die schwierige Lage, in der sich meine Partei auch weiterhin befindet, ist kein alleinstehendes Phänomen, sondern Teil einer deutlich tiefer liegenden Krise des gesamten demokratischen Parteiensystems – in Deutschland, Europa und den meisten „westlichen Demokratien“.

In der Bundesrepublik manifestiert sich diese Krise vor allem in den enormen Zuwächsen der AfD, so auch mit deren jüngsten Wahlerfolgen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Doch auch hier beginnt bereits ein Problem: Wir neigen in Deutschland dazu, den Osten als einen Sonderfall zu behandeln. Wenn wir uns aber in Europa umschauen, wirkt Ostdeutschland vielmehr wie die Avantgarde.

»Blätter«-Ausgabe 1/2025

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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