Bild: Die pronatalistische Bewegung setzt sich in Abgrenzung zum Selbstbestimmungsrecht der Frauen für eine Steigerung der Geburtenraten vor allem in Bezug auf weiße, christliche Frauen ein (IMAGO / Westend61)
Das lettische Parlament beschloss Ende Oktober den Austritt aus der Istanbul-Konvention, der das Land erst 2024 beigetreten war. Die Konvention, die Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung ächtet, erkläre Geschlecht zum sozialen Konstrukt, was im Widerspruch zu den traditionellen lettischen Familienwerten stünde. Der Nationalrat der Slowakei entschied Ende September, wie in Ungarn die Zweigeschlechtlichkeit in der Verfassung zu verankern und die Rechte von Transpersonen und gleichgeschlechtlichen Paaren einzuschränken. Die Beschlüsse widersprechen EU-Recht und fordern dessen Unterordnung unter nationale Gesetzgebungen.
Diese Ereignisse stehen wie die Ablehnung der Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht Frauke Brosius-Gersdorf in Deutschland dafür, was in den USA Vibe Shift heißt: einen politischen Stimmungswandel. Dementsprechend werden sie von rechten, antifeministischen Netzwerken als Erfolge in ihrem Kulturkampf gefeiert. In diesen Kampagnen gelang es ihnen, die Themen Gender sowie sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung zu nutzen, um die politische Mitte weiter nach rechts auf illiberales Terrain zu ziehen, demokratische Verfahren auszuhebeln und eine autoritäre Agenda zur Kontrolle von Körpern zu stärken. Der inszenierte Kulturkampf um Gender und Familie mit seinen Varianten Abtreibung, LGBTIQ und Sexualerziehung bewährt sich vielerorts als Mittel der Provokation, Verunsicherung und Spaltung.