Ausgabe Mai 2010

Geschichte als Waffe

Erinnerungskultur in Europa und die Aufgabe der Gedenkstätten

Unter der Überschrift „Das Jahr 1989 feiern, heißt auch, sich an 1939 zu erinnern!“ erschien im August vergangenen Jahres in einer großen überregionalen deutschen Wochenzeitung eine von der derzeitigen Bundesbeauftragten für die Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit der DDR Marianne Birthler und ihrem Vorgänger Joachim Gauck initiierte Anzeige, die von zahlreichen Persönlichkeiten unterschrieben wurde, darunter auffallend viele Historiker gerade auch aus dem linksliberalen Spektrum. Nun ließ der Titel zunächst vermuten, dass es den Initiatoren um die Mahnung ging, in dem multimedialen Dauergewitter der verschiedensten Aktivitäten zum

20. Jubiläum des Mauerfalls den keinesfalls ganz unwichtigen 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 zu vergessen. Doch bereits die Unterzeile enttäuschte all jene, die möglicherweise auf ein solches Zeichen gehofft hatten.

Es handelte sich nämlich um eine Erklärung zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes am 23. August 1939. Der Text enthält viele ausgewogene, sensible und richtige Sätze über die historische Bedeutung dieses Paktes der beiden Diktatoren. Doch die mit der Erklärung verbundene erinnerungspolitische Zielrichtung wird erst im letzten Satz und nur quasi en passant eingeführt.

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