Ausgabe April 1990

Zwischen Abschied und Neuanfang

Der hier und da bereits angekündigte "Abschied von der BRD" findet nach dem Ergebnis der Wahl vom 18. März denn doch nicht statt, oder wenigstens nicht so, wie vermutet. Der Trend hatte ohnehin etwas unseriöses an sich, taten sich mit vorauseilender Nostalgik in Sachen goldene BRD doch hauptsächlich Leute hervor, die bisher als engagierteste Kritiker der Republik gelten wollten. Auch der von Klaus Staeck angeführte Wanderzirkus "Soviel Anfang war nie" wird wohl nicht über die erste Station hinauskommen. Die linke Transformation der BRD durch brüderliche Hilfe einer ansonsten auf Armes Länge Distanz gehaltenen sozialistischen DDR findet nicht statt. Die Chancen, daß das von einer ziemlich alt aussehenden Volkskammer vom Jahrgang 1986 noch kurz vor Toresschluß verabschiedete Verbot der Aussperrung in die Bundesrepublik diffundiert, stehen schlecht. Es wird sich noch nicht einmal in der DDR halten können.

Falls wir so etwas wirklich haben wollen, werden wir es schon selbst machen müssen - wie alles andere auch. Bis es dahin kommt, muß allerdings nicht nur Oskar Lafontaine bei dem Mann aus Oggersheim noch einige Lektionen darüber nehmen, wie man in unklaren Stimmungslagen dominante Komponenten ausfindig macht und zu politischer Macht bündelt.

April 1990

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.