Zwischen föderalen und zentralistischen Traditionen
1. Der Kontext der deutschen Einheit
Die deutsche Einheit ist nicht das, wofür sie meistens, zumal von deutschen Politikern, gehalten wird: eine Frage, die die Deutschen in souveränem nationalem Alleingang beantworten könnten, nachdem sie sich in der europäischen und der atlantischen Runde versichert haben, man werde die zu erwartende Antwort wohlwollend tolerieren.
Denn auch die, die dieser Antwort vor allem in Osteuropa mit Bangen oder gar mit heimlichem Ingrimm entgegensehen, sind angesichts der obwaltenden Machtverhältnisse gehalten, sie wenigstens hinzunehmen, wenn auch weniger wohlwollend als andere. Nein - die deutsche Einheit, das ist die Frage nach der Verfassung eines endlich befriedeten Europa, nach dem Ende der Ära von Weltkrieg 1 und 2, und nach dem Ende des Epiloges dieser Ära, dem Kalten Krieg der Supermächte mit seiner Abgrenzung von Einflußsphären. Zu ihr ist es gekommen, weil die Anti-Hitler-Koalition kein Konzept für die Verfassung des von den Weltkriegen politisch, moralisch und physisch verheerten Europa besaß. In Ermangelung eines solchen Nach-Welt-Kriegs-Konzeptes kam es dazu, daß die wirtschaftlich stärkere und vom Hitlerkrieg weniger betroffene Seite, die 3 Westalliierten, den größeren Teil Deutschlands ihrem Wirtschafts- und Machtbereich eingliederten, was von den betroffenen Deutschen nur zu bereitwillig akzeptiert wurde.