Können Ämter sterben? Treten Behörden zurück? Nehmen Bürokraten den Hut? Geben Institutionen den Geist auf? Man darf skeptisch sein. Vor kurzem gab der niedersächsische Innenminister Glogowski namens des rot-grünen Kabinetts in Hannover bekannt, er werde das Personal des Landesamtes für Verfassungsschutz nahezu halbieren. Von 406 Geheim- und Verfassungschützern sollen nur 248 bleiben "alle anderen sind über", wird der Minister zitiert. Ist diese Abspeck-Aktion nun ein Vorbild für das Bundesamt und andere Landesämter für Verfassungsschutz? Keineswegs. Der neue Chef der Kölner Zentrale, Eckart Werthebach, überlegt vielmehr, wie er seinen Personalstand, derzeit rund 2400, halten und noch erweitern kann. In Deutschland kommt ein Verfassungsschützer auf 15 000 Bürger. Wer meinte, das viel beschworene Ende des Kalten Krieges würde ein Amt in Frieden entschlafen lassen, das wie kaum ein anderes aus der Kälte kommt, sieht sich getäuscht. Die erhoffte Friedensdividende läßt auf sich warten, das Absterben des Sicherheitsstaates auch.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.