Straßenumbenennungen als Symptom
In New York und in Mannheim haben die Straßen keine Namen sondern Nummern. Ein glücklicher Einfall der Stadtväter, der ihnen viele Scherereien erspart hat. Zahlen sind feststehend und auch unpolitisch. Ihre Wertigkeit verändert sich nicht, wenn ein neuer Landesfürst den Thron besteigt oder von einer Volkserhebung hinuntergestürzt wird.
Aber Zahlen haben auch so etwas nüchternes und kühles, daß Heimatgefühl beim Anblick oder Klang der eigenen Straßen- oder Hausnummer schwerlich aufkommen dürfte. Namen von Straßen dagegen, ob sie nach Personen, nach Ereignissen, Ideen oder Ortschaften benannt wurden, sind angefüllt mit Emotionen und Erinnerungen, mit dem was Menschen bewegt, die in diesen Straßen leben. Hätten die Straßen in den Städten und Gemeinden der ehemaligen DDR keine Namen sondern Nummern, so bliebe uns der heftige Streit erspart, der seit etwa einem Jahr in der Öffentlichkeit um dieses Thema geführt wird. Vielleicht brauchen wir ihn, damit die Vergangenheit nicht so sang- und klanglos vergeht. Keines der existentiellen Probleme wie etwa Mieterhöhungen, der Verlust des Arbeitsplatzes oder die Schließung von Kindergärten ruft in den östlichen Bundesländern derart erregte Debatten hervor, wie die Umbenennung von Straßen.
Dabei halten sich Pro und Contra fast überall die Waage.