Zur Diskussion über die deutschen Vergangenheiten
Mit der Umwälzung in Osteuropa und der deutschen Vereinigung ist die Auseinandersetzung der Deutschen mit "ihrer" Geschichte offensichtlich in eine neue Phase getreten. Die öffentliche Diskussion wird dabei beherrscht durch die Frage, wie mit der DDR-Vergangenheit umzugehen ist, mit welchen Zielen und Mitteln diese aufgearbeitet werden kann und soll. Daneben freilich wird auch das Verhältnis zu den anderen Vergangenheiten diskutiert. Zwingt die neue Konstellation zu einer völligen Neuorientierung unseres Geschichtsbewußtseins, ja unserer politischen Kultur? Sind die Ergebnisse des "Historikerstreits" 1986/87 heute überholt 1)?
I
Keine Frage: das derzeit zentrale Thema ist die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, der sich nicht ausweichen läßt. Es gilt, das "Erbe" dieser Vergangenheit zu bewältigen: die Frage der justiziablen Aufarbeitung stellt sich ebenso wie die der Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht. Vor allem aber geht es um die kritische Aneignung der Geschichte der DDR. Für die meisten Westdeutschen, die Historiker nicht ausgenommen, war die Geschichte der DDR bislang kein Thema und sie haben heute Mühe, diese als Teil der gemeinsamen Geschichte zu begreifen. Mehr noch geht es für die ehemaligen DDR-Bürger um die Aneignung "ihrer" - im Täter-Opfer-Schema nicht voll erfaßten - Geschichte, d.h.