Wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven Deutschlands in den 90er Jahren
Werden die Deutschen zu Gefangenen in der Einheitsfalle? Zu "Verlierern" beiderseits: die einen, weil es ihnen mit der "Angleichung der Lebensverhältnisse" nicht schnell genug geht; die anderen, weil ihnen die Einheit zu teuer kommt? - In dieser Spannung steckt der Kern der Bonner Regierungskrise. Aber im Sog der "Gemeinsamkeiten", einer Großen Koalition oder kleinen Kooperation, scheint es vornehmlich um Finanzierungsfragen und Sparprogramme zu gehen. Übersehen wird weithin die strukturelle, die politische Dimension der innerdeutschen Problematik. Gefordert ist das Nachdenken, wie denn die so unvorbereitet gewonnene Einheit "gestaltet" werden soll was überhaupt Einheit und Gleichheit heißen können in einer von krassen Unterschieden, Ungleichzeitigkeiten, regionalen Traditionen und Mentalitäten geprägten neudeutschen Gesellschaft. Das entschiedenste Plädoyer für eine Neubestimmung der Eckwerte des Bundesstaates hat der sächsische Ministerpräsident Kurt H. Biedenkopf vorgetragen (vgl. die Dokumentation in Heft 5/1992).