Ausgabe Juni 1992

Die neuen Verteilungskonflikte

Eine Herausforderung des Föderalismus

"... die Gleichheit und Gerechtigkeit wollen, sind immer die Schwächeren, während die Stärkeren sich über diese Dinge keinen Kummer machen." (Aristoteles)

1. Die Überforderung der "Wohlstands-Maschine" 1)

Die neue Bundesrepublik ist ein Land der zwei Geschwindigkeiten: Im Westen ein relativ hohes - wenngleich sich deutlich abschwächendes - Wirtschaftswachstum, im Osten dagegen weitere Desindustrialisierung und ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Menschen in Ost und West sind noch weit von einer Gleichheit der Lebensverhältnisse, wie sie das Grundgesetz postuliert, entfernt. Der Druck der Vereinigungsdynamik hat indessen bislang nur die östliche Lebensweise zur Veränderung getrieben, während im Westen (noch) die gewohnten Rituale in Gesellschaft und staatlichen Politiken fortexistieren. Die wirtschaftliche und soziale Dichotomie offenbart aber auch einen neuen Verteilungskonflikt in Deutschland, der sich nun in eigentümlicher Weise mit den traditionellen Verteilungsauseinandersetzungen verbindet. Deutlich wurde dies jedoch erst, als niemand mehr leugnen konnte, daß die Transformation der östlichen Wirtschaft nicht einfach aus den Wachstumsgewinnen in der alten Bundesrepublik oder gar den Gewinnen aus dem Einigungsprozeß selbst zu finanzieren ist.

Juni 1992

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