Vom israelischen Außenministerium stammt eine amtliche Mitteilung über die Hauptpunkte des am 26. Oktober von den Premierministern Yitzhak Rabin und Abdul-Salam Majali unterzeichneten umfangreichen Friedensvertrages. Deren Wortlaut dokumentieren wir nachfolgend in eigener Übersetzung. Vgl. auch in Heft 9/1994 (S. 1149-1151) der "Blätter" den Wortlaut der Washingtoner Erklärung vom 25. Juli, die den Kriegszustand zwischen den beiden Ländern beendet. D. Red.
Das israelisch-jordanische Friedensabkommen vom 26.10.1994 umfaßt 30 Artikel und beinhaltet fünf Anhänge, die Festlegung der Grenzen, Wasseraufteilung, Kooperation der Polizei, Umweltfragen und wechselseitige Grenzübergänge behandeln. Im besonderen sieht die Vereinbarung folgende Übereinkünfte vor:
1. Internationale Grenze
Das Abkommen zieht die vereinbarte internationale Grenze zwischen Israel und Jordanien einschließlich der Gewässer- und des Luftraums. Diese Grenze wird gemäß dem Grenzverlauf des Mandatsgebiets bestimmt und auf den Karten dargestellt, die der Vereinbarung beigefügt sind. Das Abkommen sieht einige kleinere gegenseitige Grenzabänderungen vor, die es den israelischen Farmern in der Arava-Region ermöglichen, weiterhin ihr Land zu kultivieren. Die Gebiete von Naharayim/Baqura und Zofar werden unter jordanische Hoheit fallen mit israelischem Recht der privaten Landnutzung. Diese Rechte beinhalten ungehinderte Freiheit des Betretens, Verlassens und Bewegens innerhalb dieser Gebiete. Sie unterliegen nicht der Zoll- oder Einwanderungsgesetzgebung. Diese Rechte werden 25 Jahre in Kraft bleiben und automatisch um den gleichen Zeitraum verlängert, es sei denn eines der Länder wünscht die Vereinbarung zu beenden, in welchem Falle Konsultationen aufgenommen werden.
2. Sicherheit
Beide Seiten werden jegliche kriegerischen und feindseligen Akte unterlassen, werden sicherstellen, daß keine Gewaltandrohung gegen die andere Seite von ihrem Territorium ausgeht, und verpflichten sich, die notwendigen und effektiven Maßnahmen zur Verhinderung terroristischer Akte zu ergreifen. Ebenso werden sie davon Abstand nehmen, sich Bündnissen anzuschließen, zu deren Zielen militärische Aggressionen gegen die andere Seite gehören. Die beiden Länder werden eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten (CSCME) schaffen, die sich an dem Modell der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) orientieren wird. Dies ist ein ehrgeiziger Versuch, die klassische Sicherheitsauffassung abzulösen, indem die alten Ideen von Abschreckung und militärischer Bereitschaft durch vertrauensbildende Maßnahmen ersetzt werden. Zu gegebener Zeit wird Zuversicht zum Aufbau gegenseitigem Vertrauens und von Institutionen führen, die darauf zielen, Krieg zu verhindern und die Zusammenarbeit zu fördern.
3. Die Beziehungen zwischen Israel und Jordanien
Das Friedensabkommen behandelt nicht nur das Ende des Krieges, sondern auch die Normalisierung. Die beiden Länder werden volle diplomatische Beziehungen aufnehmen, einschließlich der Ernennung von Botschaftern und der Errichtung von Botschaften. Verschiedene Artikel des Abkommens beschäftigen sich mit praktischen Aufgaben der Normalisierung in Bereichen wie Kultur und Wissenschaft, Krieg gegen Kriminalität und Drogen, Transport und Straßen, Postdienst und Telekommunikation, Tourismus, Umweltfragen, Energie, Gesundheit, Landwirtschaft und der Entwicklung des Jordantales sowie des Gebietes um Akaba/Eilat. Israel und Jordanien werden sich aller feindlichen Propaganda enthalten und alle diskriminierenden Verweise und feindlichen Formulierungen in ihrer jeweiligen Gesetzgebung aufheben. Ökonomische Zusammenarbeit wird als eine der Säulen des Friedens betrachtet, grundlegend für die Förderung von sicheren und harmonischen Beziehungen zwischen den beiden Völkern. Zu diesem Zweck sind Verhandlungen in Gang, um Vereinbarungen über wirtschaftliche Zusammenarbeit, natürlich unter Einschluß der Beendigung von Boykottmaßnahmen, den Aufbau einer Freihandelszone, Investitionen, Banken, industrielle Kooperation und Arbeit abzuschließen. Direkte Telefon- und Faxleitungen sind zwischen den beiden Ländern bereits eingerichtet. Postverbindungen sollen in Kürze installiert werden, gleichzeitig mit schnurlosen, Kabel- und Fernsehrelais. Eine Vereinbarung, den Tourismus zu vereinfachen und zu fördern, steht kurz vor der Ratifizierung.
4. Wasser
Israel und Jordanien haben eine Zuteilung des Wassers der Flüsse Jordan und Yarmouk und des Araba/Arava Grundwassers vereinbart. Israel hat zugestimmt, 50 Mio. Kubikmeter Wasser jährlich aus dem Norden des Landes an Jordanien zu liefern. Zusätzlich haben die beiden Länder vereinbart, gemeinsam die Wasserknappheit zu vermindern durch die Ausschöpfung existierender und neuer Wasserressourcen, durch das Verhindern von Verunreinigung der Wasserressourcen und durch Verminderung von Wasserverschwendung.
5. Flüchtlinge und Zwangsumsiedler
Die Parteien sind sich der menschlichen Probleme, die der Konflikt im Nahen Osten hervorruft, bewußt und kommen überein, diese auf bilateraler Ebene zu vermindern und zu versuchen, sie durch drei Kanäle zu lösen. 1. den vierseitigen Ausschuß mit Ägypten und den Palästinensern in Hinblick auf Zwangsumsiedler; 2. die multilaterale Arbeitsgruppe zur Flüchtlingsfrage; 3. Verhandlungen in einem zu beschließenden Rahmen - bilateral oder ansonsten in Verbindung mit den ständigen Verhandlungen über deren Status, wie in der Prinzipienerklärung im einzelnen auf geführt.
6. Orte von historischer und religiöser Bedeutung
Es wird freien Zugang zu den Orten von religiöser und historischer Bedeutung geben. In Übereinstimmung mit der Washingtoner Erklärung respektiert Israel die momentane Sonderrolle des Haschemitischen Königreiches Jordanien in Bezug auf die muslimischen heiligen Schreine in Israel. Wenn Verhandlungen über den Status, wie in der Prinzipienerklärung aufgeführt, stattfinden, wird Israel der historischen Rolle Jordaniens in Bezug auf diese Schreine eine hohe Bedeutung beimessen.
7. Freiheit der Durchreise
Angehörigen beider Länder und ihren Fahrzeugen wird die freie Durchfahrt durch öffentliche Straßen und Grenzen gewährt. Die Schiffe beider Länder werden das Recht haben, die Hoheitsgewässer zu passieren, ihnen wird Zugang zu den Häfen gewährt. Verhandlungen in Richtung eines Luftverkehrsabkommens sind eingeleitet. Die Meerenge von Tiran und der Golf von Akaba werden als internationale Wasserwege betrachtet, die von allen Nationen befahren und überflogen werden dürfen.
8. Übergangsperiode
Noch vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen und der Vollendung einer umfassenden Tourismus-Vereinbarung werden Übergangsmaßnahmen sofort nach der Ratifizierung des Abkommens in Kraft treten. Z.B. werden für Israelis, die in Jordanien reisen möchten, 550 Visa pro Tag in dieser Übergangsperiode garantiert.
9. Gemeinsame Projekte
Jordanien und Israel werden gutnachbarschaftliche Beziehungen aufbauen durch Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten in vielen Bereichen. Unter diesen Projekten befinden sich: Entwicklung von Energie- und Wasserressourcen, Schutz der natürlichen Umwelt, gemeinsame Entwicklung des Tourismus und die Entwicklung des Jordantales.