Ausgabe Januar 1994

Italienische Zustände

Oder: Das Ende der blockierten Demokratie?

Von Ulrich Hausmann Nimmt man die Kommunalwahlen aus dem Frühsommer dieses Jahres, bei denen es vor allem um die Kommunen in Piemont und der Lombardei ging, und die gerade stattgefundenen, bei denen u.a. Rom, Neapel, Palermo, Genua, Triest und Venedig zur Disposition standen, dann muß man feststellen: Die Zeit der ersten italienischen Republik ist abgelaufen. Im Frühsommer waren die Christdemokraten und Sozialisten noch mit eigenen Listen angetreten, mußten aber verheerende Einbußen von 20% und mehr hinnehmen. Die Sozialisten schrumpften zu einer vernachlässigenswerten Splittergruppe um 1%. Die erste Etappe der Kommunalwahlen brachte einen überwältigenden Sieg der Lega Nord, der es gelang, in vielen Städten, unter anderem auch in Mailand (Formentini), den Bürgermeister zu stellen. Im zweiten Gang traten die traditionellen Parteien außer dem MSI, den Neofaschisten, als solche kaum noch in Erscheinung. Im ersten Wahlgang hatte vor allem in Rom und Neapel der MSI in dieser Höhe überraschende Stimmenanteile von ca. 33% für seine Listen und mehr als 40% für seine Direktkandidaten erhalten, schlußendlich aber siegten vor allem von PDS und Grünen sowie lokalen Listenverbindungen getragene Kandidaten. Ausgang und Verlauf der Wahlen wurden auch durch das neue Kommunalwahlrecht geprägt, das im Jahr zuvor per Referendum durchgesetzt worden war. Danach wird der Bürgermeister direkt gewählt.

Sie haben etwa 5% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 95% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Demokratie

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.