Alte europäische Ordnungsvorstellungen, neu aufgelegt
Auf einer Podiumsdiskussion im November vergangenen Jahres in München, auf der es um die Rolle Griechenlands in Europa ging, verlor einer der Teilnehmer die Contenance, als im Zusammenhang mit den Errungenschaften des christlichen Abendlandes auch das Stichwort Auschwitz fiel. Der Diskutant verbat sich, obwohl gar nicht direkt angesprochen, ziemlich barsch, 50 Jahre danach immer noch an die Taten seiner Vätergeneration erinnert zu werden. Hätte es sich hier um einen CSU-Rechtsaußen gehandelt, hätte das niemanden verwundert.
Aber es war der Ressortchef Kultur der liberalen "Süddeutschen Zeitung" (SZ), Johannes Willms, der da protestierte.
Doch war seine Indignation verständlich: hier war ein engagierter Abendländer in seinem Selbstverständnis getroffen. Willms gehört zu der anschwellenden Mannschaft deutscher Publizisten und Journalisten, die im Zuge einer anstehenden Neuordnung Europas nach dem Ende des Kalten Krieges die Grenzen entlang einer von ihnen neu ausgemachten, sehr alten Frontlinie gezogen wissen wollen: zwischen einem lateinisch-katholischen Abendland und dem vom orthodoxen Christentum geprägten Rest. Diese Vorstellung, Europa nach der Vorgabe einer Kirchenspaltung im 11. Jahrhundert unserer Zeitrechnung 1) im Sinne eines militanten Katholizismus neu abzugrenzen 2), findet sich in zahlreichen Variationen in einer bunten Mischung von Publikationen von der taz bis zur SZ.