Zur Geschichte deutscher Orientpolitik
Am 10. November 1995 handelte Bundesaußenminister Klaus Kinkel sich eine in vieler Hinsicht denk-würdige Abstimmungsniederlage im Deutschen Bundestag ein. Rund 50 Abgeordnete der Koalition stimmten mit der Opposition für die Ausladung des iranischen Außenministers Welajati, der an einer geplanten Islam-Konferenz des Auswärtigen Amtes auf dem Bonner Petersberg teilnehmen sollte, auch nachdem er die Ermordung des israelischen Premiers Jizhak Rabin als "Strafe Gottes" bezeichnet hatte. Nach dem demonstrativen Engagement des Bundespräsidenten in der Kontroverse um die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels an die Islamkundlerin Annemarie Schimmel hatte der Außenminister mit der Petersberg-Konferenz offenbar, wiederum im Namen des Dialogs, eine deutsche Vorreiterrolle in der islamischen Welt demonstrieren wollen. Schon vor dem Welajati-Eklat war der prononcierte Gegenkurs Bonns etwa gegen die amerikanischen Bemühungen, das Regime in Teheran zu isolieren, auf Befremden im Westen, andernorts aber auch auf klammheimliche Freude gestoßen. Für den interkulturellen Dialog hat Dieter Senghaas mit seinem Plädoyer "Schluß mit der Fundamentalismus-Debatte!" im Februarheft der "Blätter" wichtige Denkanstöße gegeben.