Ausgabe Januar 1995

Dokumente zum Verhältnis SPD/PDS.

Beschluß des Parteivorstandes der SPD zum Umgang mit der PSD vom 5.Dezember 1994 (Auszüge)

Zielsetzung Die SPD hält an ihrem Ziel fest, die strategische Mehrheit im Deutschen Bundestag zu gewinnen. Diese ist dann gegeben, wenn politisch nur eine von der SPD geführte Regierung möglich ist. Die knappe Mehrheit der Koalition bedeutet nicht, daß die Opposition fast gleich stark wäre. Die PDS engt die Optionen der SPD ein. Die Fähigkeit der SPD, führende Regierungspartei zu werden, hängt stark davon ab, ob es ihr gelingt, in Ostdeutschland stärkste Partei zu werden. Dazu muß sie in erster Linie bisherige PDS-Wählerinnen und -Wähler auf ihre Seite ziehen. Die SPD schließt eine Bündnisstrategie gegenüber der PDS aus. Gegen eine solche Strategie sprechen historische und politische Unvereinbarkeiten, aber auch der Anspruch der SPD, als linke Volkspartei die große, integrierende Bewegung der deutschen Linken zu sein.

Innerhalb der Wählerschaft und Mitgliedschaft der PDS gibt es viele, die aus Gründen, die mit der Entwicklung 1989/90 zu tun haben, nicht den Weg zur SPD fanden. Wenn sie überhaupt von einer Volkspartei integriert werden können, dann nur von der SPD. Die SPD-Ortsvereine in Ostdeutschland können und sollen einen aktiven Beitrag zur Versöhnung leisten, indem sie die politische Integrationsaufgabe übernehmen. Die Grenze ist da zu ziehen, wo aktive Beteiligung an Unrechtstaten vorliegt. Die politische Verantwortung für das Erstarken der PDS liegt bei der Bundesregierung und den Bonner Koalitionsparteien. Ihre Fehler im Prozeß der Verwirklichung der inneren Einheit Deutschlands haben die PDS überhaupt nur zum Sammelbecken des Protests machen können. Die Maßlosigkeit der Unionskampagne nach der Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt hat ebenfalls der PDS genutzt. b) Politischer Umgang mit der PDS Mit der PDS muß eine harte inhaltliche Auseinandersetzung geführt werden.

Die PDS ist ein politischer Gegner, der auch seinerseits im Wahlkampf und in der langfristigen Strategie die SPD zu seinem Hauptgegner gemacht hat. Sie ist nicht die linkere Sozialdemokratie, sondern die Nachfolgepartei der SED. Deshalb ist klare Abgrenzung in der Sache nötig, wie sie sich aus den unterschiedlichen Programmen leicht erschließt. Eine solche Abgrenzung in der Sache, wie sie gegenüber allen konkurrierenden Parteien notwendig ist, bedeutet nicht, daß die Wählerinnen und Wähler der PDS ausgegrenzt werden sollen. Es können der PDS auch nicht die parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten versagt werden. Das würde sie in eine Märtyrerrolle bringen und vermutlich breite Solidarität in Ostdeutschland auslösen. Normale parlamentarische Kontakte stellen kein Problem dar; sie gehören zu einer funktionsfähigen Demokratie. Koalitionen auf Landes- oder Bundesebene mit der PDS kommen nicht in Betracht. Wo die SPD an der Regierung beteiligt ist, ist die PDS in der Opposition, wo die SPD selber in der Opposition ist, gibt es keine Koalition in der Opposition.

Auf der anderen Seite wird die SPD nicht deshalb auf ihre Initiativen verzichten, weil die PDS möglicherweise zustimmen könnte. Auf der kommunalen Ebene, wo alle Parteien schon aufgrund der Gemeindeordnungen zusammenarbeiten müssen und dies in der Praxis auch tun, ist eine Abgrenzung gegenüber der PDS über die inhaltliche Auseinandersetzung unverzichtbar.

Es kann offenbleiben, ob die PDS nur eine Erscheinung des Transformationsprozesses in Ostdeutschland ist und nach Abschluß dieses Prozesses von selber verschwinden wird. Die offensive Auseinandersetzung ist jetzt notwendig. Die SPD kann nicht zulassen, daß ihre Mehrheitsfähigkeit durch die Existenz einer Partei beeinträchtigt wird, die sich links von ihr in den Parlamenten etabliert. Diese Auseinandersetzung kann und muß selbstbewußt geführt werden. Die Gründungsgeschichte der SPD in Ostdeutschland und die Rolle der SPD als gesamtdeutsche und durchsetzungsfähige Partei bieten Vorteile, die es zu nutzen gilt.

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