Ausgabe Mai 1995

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Memorandum '95

Stärkung des Sozialstaates - Wirtschaftspolitik für Arbeit und ökologischen Umbau (Auszüge)

Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik legte am 27. April 1995 auf einer Pressekonferenz in Bonn das diesjährige Memorandum mit Alternativen zur Wirtschaftspolitik der Bundesregierung vor. Seit 1977 erscheinen die jährlichen AlternativGutachten der aus Wissenschaftler/innen/n und Gewerkschafter/ inne/n bestehenden Gruppen ganz oder auszugsweise in den "Blättern". Nachstehend veröffentlichen wir Auszüge aus der "Kurzfassung" des Memorandum '95. Die Buchfassung des Memorandum 95 erscheint im Papy Rossa Verlag, Köln. D. Red.

1. 7,5 Mio. Arbeitsplätze zuwenig: Aufschwung im Westen und "Normalisierung" im Osten

In Deutschland haben im vergangenen Jahr 7,6 Mio. Arbeitsplätze gefehlt. Zu den 3,7 Mio. offiziell registrierten Arbeitslosen muß nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit die sog. "stille Reserve" von schätzungsweise 2,3 Mio. Personen hinzugerechnet werden, die zwar arbeiten wollen und können, sich aber, z.B. wegen fehlender Vermittlungschancen, erst gar nicht offiziell arbeitslos gemeldet haben. Werden noch diejenigen hinzugerechnet, die vorzeitig wegen mangelnder Arbeitsgelegenheit in den Ruhestand gegangen sind (0,7 Mio.) und die in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme nur vorübergehend Beschäftigung gefunden haben (0,9 Mio.), dann zeigt sich die Dimension des Problems: 1994 haben Arbeitsplätze für ein Fünftel (19,6%) der 38,65 Mio. Erwerbspersonen in Deutschland gefehlt. Über eine Mio, Personen, das ist fast ein Drittel der registrierten Arbeitslosen, sind bereits seit einem Jahr oder länger auf der Suche nach Arbeit; die Zahl dieser Langzeitarbeitslosen ist im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen, und ihre Vermittlangschancen werden mit jedem Monat Arbeitslosigkeit geringer. Die überall hervorgehobene wirtschaftliche Besserung hat nichts daran geändert, daß Massenarbeitslosigkeit nach wie vor das soziale Hauptproblem in Ost- wie in Westdeutschland ist, wenn ihr Niveau und ihre besonderen Ausprägungen sich auch erheblich unterscheiden: Die Quote der registrierten Arbeitslosen betrug 1994 im Westen 9,2%, im Osten 16,0%. In Westdeutschland waren AusländerInnen besonders betroffen (Quote 16,2%), in Ostdeutschland waren in erster Linie Frauen (21,5%) die Opfer der Beschäftigungskrise.

Westdeutschland: Die Tücken des Aufschwungs

Die westdeutsche Wirtschaft befindet sich in einem konjunkturellen Aufschwung, dessen anfängliche Stärke von niemandem erwartet worden war. Er wurde zunächst durch eine Zunahme der Ausfuhren ausgelöst und durch Investitionen im Wohnungsbau verstärkt. Vor allem unter dem Einfluß dieser beiden Anstöße nahm das gesamte Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 60,3 Mrd. DM oder 2,3% zu. Nach einem Rückgang um 45,7 Mrd. DM oder 1,7% im Jahr davor war dies ein beachtlicher Anstieg, auch wenn er bei weitem nicht die Dynamik der konjunkturellen Erholungsphasen in den 70er und 80er Jahren erreichte. Diese vergleichsweise günstige gesamtwirtschaftliche Entwicklung faßt die Bundesregierung als Bestätigung ihrer wirtschaftspolitischen Linie auf, die im wesentlichen in beschäftigungspolitischer Untätigkeit, marktradikalen Parolen und Sozialabbau besteht. Sie sieht darin die Gewähr, daß alle wirtschaftlichen und sozialen Probleme durch Wachstum, Deregulierung und Entfaltung der Marktkräfte gelöst werden könnten. Derartige Behauptungen sind jedoch durch nichts gerechtfertigter Zweckoptimismus. Sie gehen zynisch über die Tatsache hinweg, daß der Aufschwung - ähnlich wie die letzten drei Phasen wirtschaftlicher Erholung - kaum etwas an der skandalös hohen und langfristig steigenden Arbeitslosigkeit geändert hat und von sich aus auch nichts daran ändern wird.

Trotz des gesamtwirtschaftlichen Wachstums im vergangenen Jahr nahm die Zahl der unselbständig Beschäftigten um 350 000 ab, die der registrierten Arbeitslosen um 290 000 zu. Selbst wenn die optimistischen Prognosen der Bundesregierung und des Sachverständigenrates über die Stabilität des Aufschwungs zuträfen, würde dies nicht zu einer spürbaren Entlastung des Arbeitsmarktes führen: Auch dann läge im zweiten Jahr des Aufschwungs die Zahl der Erwerbstätigen unter und die Zahl der Arbeitslosen über der im Krisenjahr 1993. Der Aufbau eines hohen Sockels an Arbeitslosigkeit ist auf die dramatischen Entlassungswellen in den Krisenjahren 1974/75, 1981/82 und 1992/93 zurückzuführen, die in den nachfolgenden Aufschwüngen nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten. Letzteres beruht vor allem darauf, daß Rationalisierungen und technologische Neuerungen im Unternehmenssektor mehr Arbeitsplätze vernichten, als durch gesamtwirtschaftliches Wachstum neu geschaffen werden - und daß hiergegen nichts unternommen wird. die Zunahme der Beschäftigung in der zweiten Hälfte der 80er Jahre ist zum allergrößten Teil auf die Verkürzungen der Arbeitszeit in dieser Zeit zurückzuführen.

Anders als in früheren Modernisierungsschüben hat die auf der Mikroelektronik basierende technologische Umwälzung in zunehmendem Maße auch den Dienstleistungsbereich erreicht. Dessen überdurchschnittliches Wachstum kann die Arbeitsplatzvernichtung in der Industrie daher nicht mehr kompensieren. Die Zahl der Menschen, die in Rezessionen arbeitslos werden und auch in den anschließenden Aufschwüngen keine Arbeit mehr finden, die sog. "Sockelarbeitslosigkeit" nimmt seit den 70er Jahren zu: Sie lag in den Jahren 1968 bis 1973 jahresdurchschnittlich bei 260 000, stieg im Aufschwung von 1975 bis 1979 auf 970 000 und betrug während der langen Erholungsphase der westdeutschen Wirtschaft von 1983 bis 1989 im Jahresdurchschnitt gut 2,2 Mio. Menschen. Sie wird auch dann auf über 2,5 Mio. steigen, wenn der aktuelle konjunkturelle Aufschwung anhält. Dies ist aber alles andere als sicher, wie ein Blick auf die wesentlichen Triebkräfte der Entwicklung im vergangenen Jahr zeigt. Die Zunahme des Sozialproduktes um rund 60 Mrd. DM (in Preisen von 1991) beruht nämlich in erster Linie auf Faktoren, deren weitere Entwicklung gefährdet bzw. deren Stabilität sogar unwahrscheinlich ist. Der größte Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum - nämlich 20 Mrd. DM von 60 Mrd. DM - war darauf zurückzuführen, daß die Unternehmen angesichts steigender Exporte und Absatzerwartungen ihre Lager kräftig aufgebaut haben, die sie in der Krise im Jahr zuvor geräumt hatten. Es leuchtet aber ein, daß dieser Lageraufbau nicht weitergeführt wird, wenn erstens die Vorräte erneut aufgefüllt und zweitens keine neuen Absatzperspektiven in Sicht sind.

Ähnliches gilt auch für die Exporte bzw. die Außenhandelsüberschüsse: Die Ausfuhren waren 1994 überaus kräftig, nämlich um 65,7 Mrd. DM, der Außenhandelsüberschuß war um 13,9 Mrd. DM gestiegen und damit zum zweitwichtigsten Element der Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geworden. Die weitere Entwicklung des Außenhandels hängt aber in erster Linie von der Konjunktur in den Ländern ab, mit denen deutsche Unternehmen Handel treiben, und ist von Deutschland aus nur wenig beeinflußbar. Der bei weitem größte Bestandteil des Sozialproduktes jedoch, die inländische Endnachfrage, auf die fast drei Viertel der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage entfallen, war am Aufschwung mit weniger als einem Drittel beteiligt. Der private Verbrauch (Anteil am Bruttoinlandsprodukt 56%) wuchs um ganze 13 Mrd. DM, und der staatliche Verbrauch (BIP-Anteil 18%) nahm sogar nur um 5,4 Mrd. DM zu. Beide Komponenten haben die gesamtwirtschaftliche Belebung nicht gestützt, sondern gebremst. Im letzten Quartal 1994 hat die inländische Nachfrage Oberhaupt nicht mehr zugenommen. Zwei Gründe lassen befürchten, daß sie 1995 absolut zurückgehen wird. - Zum einen werden die Lohn- und Gehaltseinkommen in diesem Jahr durch staatliche Abgaben, vor allem den Solidaritätszuschlag und den Beitrag zur Pflegeversicherung, so stark belastet, daß es nur dann zu einem Anstieg der Nettoeinkommen kommen kann, wenn die Lohn- und Gehaltseinkommen kräftig zunehmen. Andernfalls werden die Nettorealeinkommen erneut erheblich sinken, und das wird zu einem Rückgang der realen Verbrauchsnachfrage führen.

Denn es ist in hohem Maße unwahrscheinlich, daß die ArbeitnehmerInnen ihr Sparen erneut so stark wie 1994 einschränken und damit den realen Verbrauch trotz stagnierender oder sinkender Nettoeinkommen ausdehnen. Schon Ende 1994 hatte die Sparquote der privaten Haushalte mit 10,5% so tief gelegen wie seit den 60er Jahren nicht mehr. - Zum anderen hat die staatliche Ausgabenpolitik die Weichen bereits in kontraproduktiver Manier auf "Konsolidierung", d.h. konkret auf Abbau von Sozialeinkommen und laufenden staatlichen Ausgaben gestellt. Hierdurch wird die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zusätzlich behindert. Die Entwicklung der Lohn- und Gehaltseinkommen spielt in diesem Jahr also nicht nur aus sozialen Gründen - nach drei Jahren Realeinkommensverlusten -, sondern auch in gesamtwirtschaftlicher Perspektive eine besonders wichtige Rolle. Ihre kräftige Steigerung kann der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die mittelfristige Stabilisierungsperspektive geben, die erforderlich ist, um auch zusätzliche Investitionen anzustoßen und damit den Aufschwung zu festigen. Die immer wieder von seiten der Arbeitgeberverbände vorgebrachten und von der Bundesregierung unterstützten Behauptungen, deutliche Lohnsteigerungen führten zu untragbaren Kostenbelastungen und gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen, entbehren in der aktuellen Situation jeder Grundlage.

Noch nie in der Geschichte Westdeutschlands sind die Unternehmen von der Lohnseite so stark entlastet worden wie im vergangenen Jahr: Die Lohnstückkosten, die seit 1970 jedes Jahr außer 1992 und 1993 weniger stark gestiegen waren als im Durchschnitt aller OECD-Länder, sind 1994 sogar absolut um ca. 2% gesunken. Bei korrekter Berücksichtigung der Preissteigerungen beläuft sich der Rückgang sogar auf rund 5%. Die Stückgewinne sind 1994 so stark gestiegen, daß die Rentabilitätseinbußen der vergangenen Rezession längst mehr als wettgemacht sind: Die Umsatzrendite deutscher Unternehmen lag 1994 mit 7,9% um fast ein Fünftel höher als 1993 und um zwei Fünftel höher als im Durchschnitt der 80er Jahre. Diese positive Gewinnentwicklung würde auch durch deutliche Lohnsteigerungen nicht gebrochen, denn eine durch höhere Löhne hervorgerufene Steigerung des privaten Verbrauchs bewirkt auch eine weitere Zunahme der Kapazitätsauslastung in der Industrie und damit eine Senkung der Gemeinkosten pro Stück. Wenn die Auslastung der Kapazitäten beispielsweise von 85% auf 90%, also um 5,9% steigt, sinken-bei einem Gemeinkostenanteil von 40% - die Stückkosten insgesamt um 2,4%. Allein dieses Element würde eine Lohnkostensteigerung um 6% - bei einem Lohnkostenanteil von 25% - mehr als Ausgleichen (Anstieg der Stückkosten um 1,5%). Die Forderung der Unternehmerverbände, höhere Löhne könnten nur gezahlt werden, wenn an anderer Stelle Kostenentlastungen zugestanden würden, ist insofern Demagogie, weil sie unterschlägt, daß steigende Produktivität und zunehmende Kapazitätsauslastung bereits derartige Kostenentlastungen darstellen. Sollte es dagegen nicht zu einer spürbaren Ausweitung der (privaten oder staatlichen) Endnachfrage kommen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß der konjunkturelle Aufschwung bald abbricht und in Stagnation und eine anschließende neue Rezession übergeht. Das würde auch zu einem neuen sprunghaften Zuwachs der Arbeitslosigkeit führen und eine neue Runde der sozialen Polarisierung einleiten.

Ostdeutschland - Die Tücken der "Normalisierung"

Auch für Ostdeutschland seien die Jahre der Not jetzt vorbei, sagt die Bundesregierung. Sie verweist darauf, daß das Sozialprodukt in den neuen Bundesländern im vergangenen Jahr mit fast 9% außerordentlich stark zugenommen hat. Schon seit 1993 liegen die Investitionen pro Kopf der Bevölkerung im Osten höher als im Westen - Zeichen für dynamische Modernisierung in den Augen der Regierung. Auch die Zeit der politischen Sondermaßnahmen gehe zu Ende: Seit Anfang 1995 ist Ostdeutschland voll in das System des bundesdeutschen Finanzausgleichs integriert; die Treuhandanstalt wurde, nachdem sie ihre Aufgaben - in den Augen der Bundesregierung: sehr gut - erledigt hatte, zum Jahresende 1994 planmäßig aufgelöst. Kurz: Die Zeit der großen Transformation und Ausnahmezustände sei vorbei, in Ostdeutschland habe die Normalität der Marktwirtschaft begonnen, und in deren Rahmen und Verlauf würden sich auch die noch verbliebenen Probleme lösen. Derartige Behauptungen sind falsch, ihre Verbreitung ist reine politische Propaganda. Sie verdecken die Brutalität des wirtschaftspolitischen Kahlschlags während der vergangenen Jahre, verharmlosen die hierdurch angerichteten Schäden und verdrängen die Probleme und den Zeithorizont des ökonomischen Nachholprozesses, den die ostdeutsche Wirtschaft gerade erst begonnen hatte und der noch lange nicht zu der grundgesetzlich gebotenen Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland führen wird.

Hieran ändert auch die - allerdings reduzierte - Fortsetzung der Investitionsförderung im Grundsatz kaum etwas. Nach über vier Jahren deutscher Einheit liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung in Ostdeutschland niedriger als in jeder anderen größeren Region Westeuropas - und dies bei einem Qualifikationsniveau der dort Lebenden, das weit über dem anderer armer Regionen liegt, Auf Ostdeutschland entfällt fast ein Drittel des Territoriums und ein knappes Fünftel der Bevölkerung Deutschlands. Die neuen Bundesländer trugen 1994 jedoch nur ein knappes Zehntel (8,6%) zum Sozialprodukt, ein Zwanzigstel zum deutschen Industrieumsatz und ein Fünfzigstel zur gesamtdeutschen Industrieausfuhr bei. Der Arbeitsamtsbezirk mit der höchsten Industriedichte in Ostdeutschland hat ungefähr so viele Industriearbeiter auf 1000 Einwohner wie Lüneburg, eine der am wenigsten entwickelten Regionen Westdeutschlands. Nur in einer Hinsicht hält der Osten einen traurigen Rekord: Auf das knappe Fünftel der Bevölkerung kommen gut zwei Fünftel (43%) aller Arbeitslosen. In Ostdeutschland beträgt die Zahl der fehlenden Arbeitsplätze 2,5 Mio. Das entspricht einem knappen Drittel der Erwerbspersonen. Von der dramatischen Arbeitsplatzvernichtung seit 1990 sind in ganz besonderer Weise Frauen betroffen. Ihre Ausgrenzung aus dem Erwerbsleben und Zwangsintegration in längst überwunden geglaubte Abhängigkeitsverhältnisse und Haushaltsstrukturen in kürzester Zeit dürfte historisch beispiellos sein. 1994 waren noch 40% der Frauen im erwerbsfähigen Alter vollzeitbeschäftigt; 1990 waren es noch 55% gewesen. Weiterer Abstieg droht: Das Westniveau liegt bei 32%. Auch von einer sich selbst tragenden, wenn auch bescheidenen, wirtschaftlichen Entwicklung kann in Ostdeutschland nicht die Rede sein: Nach wie vor wurden 1994 fast zwei Fünftel (38,8%) der Nachfrage im Osten durch Transfers aus dem Westen finanziert, die dort zu mittlerweile erheblichen Belastungen und Einschränkungen des Lebensstandards geführt haben.

Auch 1995 wird dieser Transferanteil nicht merklich abnehmen. Dafür sorgt vor allem der 1995 in Kraft getretene neue Finanzausgleich. Von einer eigenständigen Wirtschaft, die organisch und arbeitsteilig mit der westdeutschen verbunden wäre, sind die neuen Bundesländer noch weit entfernt. Fiskalisch hängen sie am Tropf der alten BRD, in ihren Produktionsstrukturen sind sie mittlerweile zum abhängigen Anhängsel der westdeutschen Unternehmen geworden. Dieser Zustand ist weder primär auf die zweifellos rückständigen wirtschaftlichen Strukturen der ehemaligen DDR zurückzuführen noch naturwüchsig entstanden. Er ist vielmehr das absehbare Ergebnis einer Entwicklung, die durch rücksichtslose Verdrängung und verantwortungslose Wirtschaftspolitik gekennzeichnet war. Die übergangslose Einführung der DM hat die ostdeutschen Unternehmen in eine Konkurrenz geworfen, in der nur sehr wenige überhaupt eine Chance hatten. Die überstürzte und wesentlich ideologisch motivierte Liquidierungs- und Privatisierungspolitik hat zu einer historisch einmaligen Vernichtung und Umverteilung von Vermögen geführt: Der Teil der ehemaligen volkseigenen Betriebe und Kombinate, der nicht vernichtet wurde, befindet sich heute weitgehend in westdeutscher oder ausländischer Hand. Es dürfte heute keine größere Region in Europa geben, deren Produktionsmittel in einem derartig hohen Grad Eigentum externer Unternehmen sind.

Insofern ist die mit der Währungsunion über Ostdeutschland hereingebrochene Standortkonkurrenz in der Tat beendet. Sie hat ganze Arbeit geleistet, und ihr Ergebnis ist historisch einmalig und niederschmetternd. Den im Vergleich zu Westdeutschland hohen Wachstumsraten der industriellen und gesamtwirtschaftlichen Produktion im vergangenen Jahr entsprechen nur geringe absolute Zuwächse der Produktion. Sie bringen vor allem den vorangegangenen schweren Zusammenbruch zum Ausdruck und sollten nicht zu der falschen Schlußfolgerung verleiten, diese Dynamik werde jetzt Jahr für Jahr stattfinden und daher relativ schnell zu einer Angleichung des Produktionsund Lebensniveaus zwischen West- und Ostdeutschland führen.

Zwar hat in einigen Bereichen ein Anpassungs- und Aufholprozeß eingesetzt, und in wenigen Sektoren - wie z. B. dem Schiffbau - haben westliche Konzerne neben drastischem Personalabbau auch wesentliche Modernisierungen in die Wege geleitet. Die Dimensionen dieser Entwicklungen sollten jedoch nicht überschätzt werden.

Insgesamt wurde im vergangenen Jahr, dem vierten nach der deutschen Vereinigung, gerade wieder das industrielle Produktionsniveau des zweiten Halbjahrs 1990 erreicht - und das war etwa halb so hoch wie im letzten Jahr der DDR. Die hohe Steigerung der Investitionen, über die allenthalben berichtet wird, bezieht sich erstens auf sehr niedrige Ausgangswerte und konzentriert sich zweitens vor allem auf den Bau von Büro- und Geschäftszentren sowie auf Sanierung und Bau von Wohnungen. In den vier Jahren seit der deutschen Einigung ist der Anteil des ostdeutschen am gesamtdeutschen Sozialprodukt um gerade einen Prozentpunkt gestiegen, von 7,6% auf 8,6%. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß sich der wirtschaftliche Aufholprozeß auch in Zukunft nicht wesentlich beschleunigen und daher sehr lange dauern wird. Dies erklärt sich weniger aus der nach wie vor niedrigeren Produktivität. In dieser Hinsicht ist bereits viel geschehen. Wo neu investiert wird, wird gleichzeitig auf hohem Niveau modernisiert. Das Hauptproblem sind vielmehr die Märkte bzw. das Ausbleiben einer ausreichenden Erweiterung der effektiven Nachfrage nach ostdeutschen Produkten sowie die Abhängigkeit ostdeutscher Unternehmen von den Entscheidungen ihrer westdeutschen Eigentümer.

Nachdem mehrere tausend Betriebe stillgelegt, mehrere Millionen Arbeitsplätze vernichtet und produktive Kapazitäten verschwunden sind, gibt auch eine kräftige, im wesentlichen aus dem Westen finanzierte wirtschaftliche Belebung keinen Anlaß für eine Bewegung in umgekehrter Richtung, also für einen industriellen Wiederaufbau und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in großem Umfang.

Denn die zusätzliche Binnennachfrage im Osten kann zu einem erheblichen Teil aus der Produktion westdeutscher Kapazitäten befriedigt werden, und die traditionellen Märkte der ehemaligen DDR in Osteuropa befinden sich ebenfalls fest in westdeutscher Hand. Solange die gesamtwirtschaftliche Endnachfrage - sei es als privater Konsum oder als Ausgaben des öffentlichen Sektors nicht erheblich stärker zunimmt als bisher oder keine einschneidenden Arbeitszeitverkürzungen durchgesetzt werden, wird die Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland, deren Rate fast doppelt so hoch ist wie die in Westdeutschland, anhalten, und solange werden für rund 2,5 Mio. Personen, das ist fast ein Drittel (31,4%) der knapp 8 Mio. Erwerbspersonen, Arbeitsplätze fehlen. Die anhaltende Verunsicherung und -differenzierung der sozialen Lage, die nach wie vor außerordentlich hohe Arbeitslosigkeit und damit verbundenen Verarmungsprozesse haben auch zu einer merklichen Veränderung von Meinungen und Einstellungen bei den Menschen in den neuen Bundesländern geführt.

Während im Mai 1990 noch rund vier Fünftel der Männer und Frauen die neuen gesellschaftlichen Entwicklungen im großen und ganzen befürworteten, waren es 1993 nur noch 51% der Männer und 39% der Frauen. Dies reflektiert nicht den Wunsch nach Rückkehr zu den alten Verhältnissen, aber doch den Grad, in dem die Hoffnungen, die mit den umbruchartigen Veränderungen einhergingen, enttäuscht worden sind. Bezüglich der sozialen Einstellungen ist der Transformationsprozeß nicht nur nicht abgeschlossen, sondern er befindet sich noch am Anfang. Die Gefahr ist groß, daß auch in dieser Hinsicht die "soziale Mauer" zwischen Ost und West stärker wird.

2. Nach der Standortdebatte die Sozialstaatskritik: Abbau im Namen von Umbau

Die Sozialpolitik in der Bundesrepublik befindet sich seit Jahren in einer tiefgreifenden Krise. Einzelne Sozialversicherungszweige geraten immer wieder in erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten. Ihr Kennzeichen ist die Scherenentwicklung zwischen hohen Zuwachsraten bei den Ausgaben und einer im Vergleich dazu geringen Einnahmesteigerung. Zur Lösung dieses Dilemmas wurden Sozialleistungen gekürzt und/oder Beiträge erhöht. Ein löchriges Netz sozialer Sicherung mit einer gleichzeitig im historischen Vergleich bislang unübertroffenen Beitragsbelastung üben zusammengenommen einen ungeheuren Legitimationsdruck auf die Sozialpolitik aus und bieten offene Flanken für massive Angriffe von Seiten der Unternehmer. Unmittelbar nach der letzten Bundestagswahl 1994 forderten die Präsidenten der BDA, des BDI und des DIHT den radikalen Umbau des Sozialstaates und gaben damit das Leitmotiv für die laufende Legislaturperiode vor. Sie läuteten damit keineswegs die erste Runde im Kampf gegen den Sozialstaat ein.

Dieser Kampf wird seit über einem Jahrhundert mit wechselnder Intensität in allen kapitalistischen Industrieländern geführt. Auf staatlicher Ebene setzte er in Deutschland nach der Wirtschaftskrise Mitte der 70er Jahre erneut ein und wurde mit dem Regierungswechsel 1982 intensiviert. Die Sparpolitik der vergangenen Jahre hat keinen nennenswerten Bereich der Sozialpolitik unberührt gelassen. Ziel und Wirkungsrichtung der verschiedenen Neuregelungen sind im Einzelfall durchaus ambivalent. Bei der Krankenversicherung folgte der massiven Einführung von Selbstbeteiligungen im Rahmen der BlümReform unter Seehofer und mit Zustimmung der SPD-Opposition das Gesundheitsstrukturgesetz 1993, das immerhin erstmals auch bei den Anbietern und Leistungserbringern im Krankenversicherungsbereich Einschnitte vorgenommen hat. Nach wie vor aber konzentrieren sich fast sämtliche Reformüberlegungen auf die Gesundung der Finanzen und nicht die der Kranken. Das letzte gemeinsame Werk einer großen sozialpolitischen Koalition, die Pflegeversicherung, ist auf der Finanzierungsseite schon ganz ein Kind der Umbaudebatte: Die Versicherten haben die Belastungen der fünften Säule der deutschen Sozialversicherung allein zu tragen. Daneben konzentriert sich der Sozialabbau in der jüngsten Vergangenheit auf Kürzungen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Sozialhilfeleistungen. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte dieser Sozialabbau in den beiden vergangenen Jahren, in denen auch die Probleme der Finanzierung der deutschen Einheit besonders akut wurden: Die in verschiedenen "Konsolidierungs"-Gesetzen beschlossenen Kürzungen im sozialen Bereich - insbesondere bei der Politik gegenüber Arbeitslosen und Armen - belaufen sich für die Jahre 1994 bis 1997 auf über 70 Mrd. DM.

Damit ist eine weitere soziale Polarisierung und höhere Armut in der Bundesrepublik vorprogrammiert. Dabei will niemand den Sozialstaat abschaffen. Den diesbezüglichen Erklärungen der Bundesregierung und auch der Unternehmerverbände darf durchaus Glauben geschenkt werden. Auch von dieser Seite wird der Sozialstaat als wichtige gesellschaftliche Errungenschaft beschrieben, vor allem wegen seines gesellschaftlich stabilisierenden Charakters und des damit verbundenen sozialen Friedens, der in Form niedriger Streiktätigkeit als positiver Standortfaktor der deutschen Wirtschaft herausgestellt wird. Auch mit Blick auf andere Länder läßt sich feststellen, daß es keinen ökonomisch erfolgreichen Industriestaat gibt, dessen Regierung nicht in der einen oder anderen Form auf seinen Sozialstaatscharakter verweisen kann. Dies scheint geradezu zu den Funktionsbedingungen hochentwickelter kapitalistischer Systeme zu gehören.

Freilich ist die Frage nicht entschieden, ob man den Frieden nicht billiger haben kann. Es geht in dieser Sicht nicht um Abschaffung, sondern um Umbau, Ökonomisierung und "Verschlankung" des Sozialstaates. Die Begründungen für die Notwendigkeit dieses Umbaus reichen von forsch-ahnungslosen Behauptungen über den Sozialstaat als "kollektiven Freizeitpark", über den Mißbrauch von Sozialleistungen, über die mangelnde Finanzierbarkeit unter den gegenwärtigen, von der Entstehungszeit des Sozialstaates ganz verschiedenen Bedingungen bis hin zum Schreckgespenst eines durch den "ausufernden" Sozialstaat geförderten dumpfen Kollektivismus, der jede Kreativität und Eigenverantwortung ersticke. Die ökonomischen Krisentendenzen, der schärfer gewordene internationale Wettbewerb, die Finanzierungsprobleme der deutschen Einheit und die massive, im Namen von Freiheit, Markt und Effizienz auftretende ideologische Kampagne gegen den Sozialstaat in seiner historisch herausgebildeten Form haben in den vergangenen Jahren erhebliche Wirkungen gehabt. Sie haben zu einer allgemeinen Verunsicherung geführt, die bis in die Reihen der historischen VorkämpferInnen und VertreterInnen des Sozialstaates in der Arbeiterbewegung reicht. Es scheint, daß Forderungen nach Sozialstaatlichkeit zunehmend mit schlechtem Gewissen erhoben, Einschränkungen zwar nach außen kritisiert, aber im stillen nicht nur als unvermeidbar hingenommen, sondern sogar als gerechtfertigt akzeptiert werden.

Insofern beginnt der Sozialabbau in den Köpfen, und dort ist er in den letzten 20 Jahren bereits ein gutes Stück vorangekommen. Demgegenüber betonen wir, daß der Sozialstaat nicht als eine untergeordnete und je nach Bedarf zu "verschlankende" ökonomische Veranstaltung der Marktwirtschaft betrachtet werden kann, sondern einen eigenständigen Wert hat. Er verkörpert das Gegenprinzip zur Kapitalverwertungslogik. Kapitalistische Marktwirtschaften sind nicht nur technisch-ökonomische Produktions- und Reproduktionsstrukturen (die sich hinsichtlich ihrer Effizienz gegenüber den Versuchen sozialistischer Planwirtschaften als überlegen erwiesen haben). Sie sind zugleich Herrschaftsstrukturen und Verteilungsmechanismen, die auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhen und sich über Marktmechanismen im großen und ganzen ständig - nicht krisenfrei und unter großen sozialen Verlusten und ökologischen Zerstörungen - reproduzieren. Gegenüber den prinzipiell grenzenlosen Wachstumszwängen - bei gleichzeitig immer deutlicher werdenden Wachstumsgrenzen - und der Indifferenz kapitalistischer Unternehmen hinsichtlich individueller und gesellschaftlicher Lebensqualität markiert das Sozialstaatsprinzip die Ansprüche der Menschen auf ein gutes Leben. Es richtet sich erstens auf die Gestaltung der Arbeitsbedingen in den kapitalistisch geführten Betrieben, zweitens auf die Höhe der Löhne und Gehälter und damit auf die Verteilung des erwirtschafteten Einkommens zwischen Kapital und Arbeit sowie drittens auf die Korrektur der Marktverteilung über Sozialversicherungs- und sonstige staatliche Fonds. Sozialpolitik zielt damit auf die Verhinderung bzw. Kompensation von Armut und Einkommensrisiken: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Unfall, Alter oder Invalidität. An die Stelle der individuellen Konkurrenz setzt sie gemeinsame Solidarität, als Lebensorientierung - und als Bedingung der Kampfkraft, die notwendig ist, um diese Ansprüche gegenüber der Hegemonie des Marktes durchzusetzen. Sozialstaatlichkeit verstößt aus Prinzip gegen die Marktgesetze. Dies ist nicht etwa ein zu korrigierendes Defizit, sondern explizite Grundlage und Inhalt von Sozialstaatlichkeit.

Insofern beruht die Forderung nach Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien in die Sozialpolitik auf einem grundsätzlichen Mißverständnis ihrer Existenzbedingung. Das gleiche gilt von der Klage über das "Anspruchsdenken", das im Sozialstaat zum Ausdruck komme: In der Tat erhebt das Sozialstaatsprinzip den Anspruch, daß die Früchte der Arbeit in hohem Maße den von Arbeit Abhängigen zugutekommen - und daß sie nicht allein nach konkurrenzbedingter Leistung, sondern auch nach individueller Bedürftigkeit verteilt werden. Sozialstaatlichkeit ist Gegenprinzip zur Verwertungslogik des Kapitals, aber sie ist es innerhalb der ökonomischen und politischen Strukturen kapitalistischer Marktwirtschaften. Wie ungestörte Kapitalverwertung auf ein Minimum an sozialem Frieden und sozialer Akzeptanz angewiesen ist - wobei über deren Preis und die Methoden, beides herzustellen, sehr unterschiedliche Vorstellungen herrschen -, bleibt auch wirksame Sozialpolitik - im Sinne finanzieller Vorsorge für und des Ausgleichs von sozialen Risiken - auf kapitalistische Akkumulation und Einkommensproduktion angewiesen. Bei der Sozialstaatsdiskussion geht es vor dem Hintergrund dieser wechselseitigen Angewiesenheit um eine Verteilungsfrage: Müssen ArbeitnehmerInnen die Vorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit aus eigener Tasche bezahlen, oder können sie erwarten, daß sie aus einer Solidarumlage finanziert wird, an der Kapital und Arbeit in gleichem Umfang beteiligt sind?

Diese Grundsatzfrage ist bei den bisherigen Systemen im Sinne der letzteren Alternative, bei der Pflegeversicherung durch die Verlagerung aller Kosten auf die ArbeitnehmerInnen, beantwortet worden. Es ist offensichtlich, daß es sich bei letzterem um einen sozialen Rückschritt handelt, der nicht durch irgendwelche ökonomischen Sachzwänge, sondern durch das zugunsten der ArbeitgeberInnen veränderte Kräfteverhältnis zu erklären ist. Die Behauptung, daß die Beteiligung der Unternehmen an der Finanzierung der Pflege älterer Menschen eine untragbare Kostenbelastung darstelle und die internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährde, ist in keiner Weise zu belegen.

Der Angriff auf den Sozialstaat wird mit Argumenten geführt, in denen Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Mißverständnisse zunehmend eine unheilige Verbindung eingehen:

1. Die Beiträge zur Sozialversicherung insgesamt seien in den letzten Jahren so rapide gestiegen, daß die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer dadurch überfordert würden. Ein Ende dieses Anstiegs sei ohne einen radikalen Schnitt bei den Leistungen nicht absehbar. Richtig ist, daß die Sozialbeiträge insgesamt von 32,4% der Bruttolohn- und Gehaltssumme im Jahre 1980 auf 39,3% in 1995, insgesamt also um fast 7%, gestiegen sind. Hierfür sind aber nicht der "überbordende Sozialstaat", sondern vorrangig die gestiegene Arbeitslosigkeit und die Kosten der deutschen Einheit verantwortlich, die zu einem großen Teil auf die Sozialversicherungsträger abgewälzt worden sind. Die Aufwendungen für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland sind von 6,7 Mrd. DM im Jahre 1980 auf über 33 Mrd. DM im Jahre 1994 gestiegen, davon entfielen 1994 etwa 17 Mrd. DM auf die neuen Bundesländer. Hierbei handelt es sich vorrangig um die Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die eigentlich aus allgemeinen Steuermitteln zu leisten wäre.

2. Das System sozialer Leistungen sei so üppig und leicht zugänglich, daß es in hohem und steigendem Maße von Menschen mißbraucht werde, die sich dadurch einer normalen Arbeit entziehen und als Schmarotzer die Allgemeinheit schädigen. Die Hartnäckigkeit dieser Behauptung steht in bemerkenswertem Gegensatz zu den empirischen Belegen für einen Mißbrauch des Sozialsystems als relevantes Phänomen. An ihre Stelle tritt die ausgiebige Schilderung horrender Einzelfälle. Dazu im Gegensatz steht nun wieder die Tatsache, daß die politischen Schlußfolgerungen hieraus sich nicht präzise auf solche Einzelfälle, sondern auf die Senkung des Leistungsniveaus insgesamt richten.

Im übrigen lebt die Mißbrauchsdiskussion in erheblichem Maße von Zynismus. Der zeigt sich z.B. darin, daß der regelmäßige Rückgang der Krankmeldungen in Zeiten der ökonomischen Krise von den Sozialstaatskritikern als Beleg für einen durch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall angeregten Mißbrauch des Sozialsystems angeführt und die Einführung von Karenztagen gefordert wird. In Wirklichkeit dürften die Zusammenhänge eher umgekehrt sein: In der Krise treibt die Angst vor Entlassung auch kranke ArbeitnehmerInnen an den Arbeitsplatz. Nicht die Gesunden mißbrauchen das Sozialsystem, sondern der Druck der Krise führt zum Mißbrauch der Kranken. Völlig ausgeblendet bei der Mißbrauchsdebatte bleibt die Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen. Bei der Sozialhilfe etwa beträgt diese Dunkelziffer rund 50% der Anspruchsberechtigten. Schließlich: Das Netz der Kontrollen, Sperren, Zumutbarkeitsregelungen und Bedürftigkeitsprüfungen ist im Verlauf des letzten Jahrzehnts bereits so dicht geknüpft worden, daß die Chancen des Mißbrauchs äußerst gering sind.

3. Die Anspruchsmentalität derer im sozialen Netz behindere auch ohne brauch die Wirtschaftliche Entwicklung und gefährde damit die gesamte finanzielle Basis des Sozialsystems. Aus diesem Grunde Liege die Sozialleistungsquote in der Bundesrepublik mittlerweile bei über einem Drittel des Sozialproduktes. Auch dieses Argument stellt einen Mißbrauch der Fakten dar. Die Sozialleistungsquote Westdeutschlands lag bereits 1982 bei 33,3% und sank bis 1993 auf 30,3%. 1991 lag sie mit 28,9% auf dem niedrigsten Stand seit 1973, einem Jahr mit annähernder Vollbeschäftigung.

Allerdings zählen bekanntlich seit 1991 die fünf neuen Bundesländer zur Bundesrepublik, deren Sozialleistungsquote im Jahre 1993 bei 70,0% lag. Das hat aber nichts mit Anspruchsinflation, sondern alles mit dem durch schnelle Währungsunion und falsche Wirtschaftspolitik forderten Zusammenbruch der dortigen Wirtschaft zu tun. Die Sozialpolitik hat die Konsequenzen dieser Politik nun zu tragen. Bemerkenswert ist daher eher, daß die gesamtdeutsche Sozialleistungsquote trotz des "Jahrhundertwerks deutsche Einheit" mit 34,0% kaum höher liegt als Mitte der 70er Jahre. In Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit und Armut müßte die Sozialleistungsquote eines Landes auch ohne "Ausuferungen" des Sozialstaates steigen, wenn das Sozialleistungsniveau für die Betroffenen nur unverändert bliebe. Für die Zeit zwischen 1982 und 1992 belegt die westdeutsche Sozialleistungsquote jedoch das Gegenteil eines ausufernden, nämlich den schrumpfenden Sozialstaat.

Während dieses Jahrzehnts stieg die Zahl der Rentenempfängerinnen um knapp ein Fünftel, die der Arbeitslosen um ein Viertel und die der Armen um drei Viertel.

Dennoch wurden 1993 für die Finanzierungen der Sozialleistungen in Westdeutschland vier Prozentpunkte des Sozialproduktes weniger aufgewendet als 1982. Dies belegt auch statistisch die Verschlechterung der sozialen Leistungen durch Sozialabbau. 4. Der Umfang der sozialen Sicherungssysteme habe zur Etablierung einer verkrusteten, ineffizienten, egoistischen, verschwenderischen und nur an eigener Machterhaltung interessierten Sozialbürokratie geführt, die AntragstellerInnen hinhalte, schikaniere und demütige. Kein Zweifel: Kritik an staatlicher Bürokratie, Arroganz und Schwerfälligkeit ist erforderlich, bei den Arbeits- und Sozialämtern ebenso wie in Wirtschafts-, Verkehrs- und Außenministerien. Die naheliegende Konsequenz aus solcher Kritik liegt in der Schaffung von mehr Transparenz, Flexibilität und Bürgernähe, in der Demokratisierung des Apparates. Derartige Schlußfolgerungen liegen der Sozialstaatskritik jedoch fern. Sie will die sozialen Leistungen nicht demokratisieren, sondern einschränken und teilweise abschaffen.

Die Bürokratiekritik ist in dieser Konzeption nichts als ein populistischer Vorwand. Ähnlich populistisch und in die falsche Richtung gehend ist die Forderung, an die Stelle des komplizierten Systems sozialer Leistungen ein einheitliches Bürgergeld "aus einem Guß" zu setzen, bei dem alle Lebenslagen und Bedürftigkeiten über einen Kamm geschoren werden und das deshalb vermutlich zu erheblich größeren Ungerechtigkeiten führen würde als das jetztige, sehr viel zielgenauere System. Die zweifellos vorhandenen Bürokratisierungen und Undurchsichtigkeiten müssen durch Demokratisierung und mehr Übersichtlichkeit überwunden werden. Diese Aufgabe kann nicht durch Streichung von Leistungen ersetzt werden. 5. Der üppige Ausbau der sozialen Sicherungssysteme vermindere die Bereitschaft der Menschen zur eigenverantwortlichen Vorsorge für die Risiken der Zukunft. Sie widerspreche dem Prinzip der Subsidiarität und führe damit letztlich zur Entmündigung der BürgerInnen. Als Alternative hierzu wird eine bescheidene - wohl sehr bescheidene - gesellschaftliche Basis- oder Grundsicherung vorgeschlagen. Für alles, was darüber hinausgehe, sollten die Menschen aus eigenen Mitteln durch entsprechende, auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnittene Versicherungen selbst sorgen. Dieser Vorschlag geht an den Realitäten des Lebens vorbei

. Da die Hälfte der Menschen in der Bundesrepublik über gerade 5% bis 6% des deutschen Geldvermögens verfügt, wird eine große Zahl von ihnen gar nicht in der Lage sein, die Mittel für eine private Vorsorge aufzubringen. Überdies leidet die Konzeption an einem grundsätzlichen Denkfehler. Sie unterstellt, daß die Menschen die heute erworbenen Ansprüche sozusagen konservieren und zu einem späteren Zeitpunkt real einfordern könnten. Sie kommt demgegenüber aber nicht an der Tatsache vorbei, daß der spätere Rückgriff auf das heute in Versicherungen angelegte Kapital real nur als Zugriff auf die zu diesem späteren Zeitpunkt produzierte Konsumgütermenge möglich ist. Es handelt sich also in jedem Falle um eine Frage der Verteilung zwischen produktiver und unproduktiver Generation zu j e n e m s p ä t e r e n Z e i t p u n k t.

Der Ersatz kollektiver durch private Versicherungssysteme ändert hieran nichts. Was von dem Vorschlag zur Stärkung der individuellen Eigenverantwortlichkeit bleibt, sind erstens blühende Geschäfte für die Versicherungen, zweitens eine radikale Kostenentlastung der Arbeitgeber von Sozialbeiträgen auf Kosten der Versicherten und drittens die radikale Privatisierung des Einkommensund Armutsrisikos im Alter, bei Invalidität, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit. Die hierin liegende Perspektive vollständiger Entmündigung ist ein überzeugendes Argument dafür, das gegenwärtige System kollektiver Sozialversicherung beizubehalten und weiter zu verbessern. 6. Hohe soziale Standards hemmten den Leistungswillen der Menschen und ihre Bereitschaft, anstrengende Arbeiten zu verrichten und bescheidene Löhne zu akzeptieren. In dieser Kritik scheinen Menschenbild und gesellschaftliche Konzeption der SozialstaatskritikerInnen wohl am deutlichsten durch. Sie reflektiert und kritisiert nämlich eine - durchaus noch nicht realisierte, aber in der Sozialstaatskonzeption angestrebte Wirklichkeit, in der die Menschen nicht gezwungen sind, sich jederzeit, an jedem Ort und zu jeden Bedingungen den Ansprüchen der Unternehmen - oder den "Zwängen des Marktes" - zu unterwerfen. Wer krank ist, braucht sich nicht zum Arbeitsplatz zu schleppen und erhält trotzdem Geld; wer arm ist, braucht darum doch nicht jeden ungeschützten, gefährlichen und schlecht bezahlten Arbeitsplatz anzunehmen und erhält dennoch einen - wenn auch sehr geringen - Unterhalt.

Diese marktwidrige Struktur ist in der Tat die Existenz- und Legitimationsgrundlage des Sozialstaates - und sie ist es, die den KritikerInnen ein Dorn im Auge ist. Ihre Forderung, Sozialpolitik marktadäquater zu gestalten, läuft darauf hinaus, diese Struktur zu zerbrechen oder zu durchlöchern. Die Forderung zum Beispiel, zwischen Sozialhilfe und den unteren Einkommensgruppen einen größeren Abstand zu schaffen, zielt nicht auf die Anhebung der Löhne, sondern auf die Senkung der Sozialhilfe. Hierdurch soll der Druck auf Arbeitslose erhöht werden, auch noch so schlecht bezahlte Arbeiten anzunehmen und sich den Unternehmen vollständig zu unterwerfen. Daß soziale Sicherheit die Leistungsbereitschaft, Kompetenz oder Kreativität von Menschen hemmt, ist eine durch nichts belegte und durch vieles widerlegte Behauptung. Daß sie die Bereitschaft untergräbt, sich zu unterwerfen und bedingungslos ausbeuten zu lassen, ist dagegen richtig - und ist ein erklärtes Ziel von Sozialpolitik.

3. Ökologischer Umbau durch Regionalisierung

Unter der Wucht der Umbrüche, die mit dem Zusammenbruch der osteuropäischen Gesellschaften einhergingen, und insbesondere unter dem Eindruck der tiefen Transformationskrise in Ostdeutschland und des weiteren Anstiegs der Arbeitslosigkeit im Westen ist die Dringlichkeit des ökologischen Umbaus der Wirtschaft in den Hintergrund der wirtschaftspolitischen Diskussion getreten. Von seiten der Unternehmen und der Bundesregierung wurde sie mit dem Hinweis auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zurückgedrängt. Die Gewerkschaften stellen Arbeitsplatz- und soziale Sicherheit in den Vordergrund ihrer Politik. Umweltargumente finden immer weniger Anklang in der Öffentlichkeit. Die ökologische Krise ist demgegenüber natürlich nicht geringer geworden - trotz Umwelttechnik, Umweltmanagement, Umweltverträglichkeitsprüfung und Grünem Punkt. Der Raubbau an den Rohstoffen der Natur, Überforderung ihrer Belastbarkeit durch Abfälle aller Art und Ausbruch unvorhergesehener, aber in Kauf genommener Risiken mit unkalkulierbaren Folgen - die kumulativen Wirkungen dieser Prozesse haben die natürliche Umwelt der Menschen in den letzten beiden Jahrzehnten so erheblich beeinträchtigt, daß die ökologische Frage zu einem zentralen Problem der Lebensqualität geworden ist.

Für alternative Wirtschaftspolitik, die Lebensqualität nicht der Kapitalrentabilität unterordnet, sondern als Zielorientierung für die Gestaltung ökonomischer Prozesse beibehält, muß ökologischer Umbau daher auch weiterhin unabhängig von tagespolitischen Vordringlichkeiten wesentlicher Schwerpunkt ihrer Analysen und Vorschläge sein. Im vergangenen Jahr haben wir den Verkehrssektor ins Zentrum unserer Überlegungen über den ökologischen Umbau gestellt und dort die Triade der Ansatzpunkte zur Umsteuerung - Verminderung, Verlagerung und Verbesserung des Verkehrs - diskutiert. Dabei hatten wir schon damals einen besonderen Akzent auf die Verkehrsverminderung oder Vermeidung als wesentlichen Fluchtpunkt einer strategischen Umorientierung gelegt. Diese Überlegungen wollen wir jetzt aufgreifen und vertiefen. Dabei geht es zum einen um die Präzisierung der Orientierungskriterien für eine ökologisch verträgliche oder "nachhaltige" Entwicklung. Zum anderen soll der Zusammenhang zwischen Verkehrsverminderung und Regionalisierung der Wirtschaft skizziert werden, und drittens sind die Konsequenzen für die außenwirtschaftliche Konzeption zu bedenken.

E r s t e n s: Eine - zunächst recht allgemeine - inhaltliche Orientierung für ökologischen Umbau stellt die Konzeption der ökologischen Nachhaltigkeit dar. Sie wurde 1987 im Bericht "Unsere gemeinsame Zukunft' der Brundtland-Kommission einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt und ist seitdem vielfach diskutiert und weiterentwickelt worden. Unter nachhaltigem Wirtschaften wird - sehr allgemein - eine Entwicklung verstanden, "die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen."

Hinsichtlich des Umganges mit der Natur bedeutet das, noch immer recht allgemein, die Berücksichtigung folgender drei Regeln:

1. Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen soll ihre Regenerationsrate nicht überschreiten.

2. Nichterneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz geschaffen wird.

3. Immissionen in die Umwelt sollen die Belastbarkeit der Natur nicht überschreiten. Diese Grundregeln betreffen ökonomische Vorgänge, die konkret in Raum und Zeit stattfinden. Die zeitliche und die räumliche Dimension spielen eine wichtige Rolle für die Einhaltung der drei Nachhaltigkeitsregeln. Denn die ökonomische - im wesentlichen an maximaler Kapitalrendite orientierte - Konkurrenz- und Expansionslogik hat über den immanenten Zwang zum Besser-sein-Müssen als die Konkurrenz und zur Produktivitätssteigerung eine enorme Beschleunigung der wirtschaftlichen Prozesse bewirkt und damit die Grenzen der Zeitrhythmen der Ökologie weit überschritten. Über den Ausbau von Verkehrsinfrastruktur, Telekommunikation und das Absenken von Handelshemmnissen hat sie überdies zu einem Zurückdrängen bis hin zum teilweisen Verschwinden des Raumbezugs bei ökonomischen Entscheidungen geführt.

Die heutigen stark internationalisierten Aktivitäten finden daher weitgehend ohne Rücksicht auf die räumlichen und zeitlichen Konsequenzen und Grenzen ökologischer Prozesse statt. Dies gilt sowohl für die Entnahme als auch für die Abgabe von Stoffen. Der ökologische Umbau der Wirtschaft fordert demgegenüber eine ausdrückliche Berücksichtigung dieser Grenzen, und das bedeutet eine Reorientierung an ökologisch verträglichen Zeitrhythmen und an räumlichen Gegebenheiten - bei der Produktion ebenso wie bei der Nutzung und Entsorgung von Gebrauchs- und Produktionsgütern. Daher sollten die drei Nachhaltigkeitsregeln durch zwei weitere ergänzt (oder konkretisiert) werden:

4. Das Zeitmaß menschlicher Eingriffe in die Natur muß in einem ausgewogenen Verhältnis zum Zeitmaß der für das Reaktions- und Verarbeitungsvermögen der Umwelt relevanten natürlichen Prozesse stehen.

5. Die Wirksamkeit menschlicher Eingriffe ist räumlich zu begrenzen. Viele Produktions-, Konsumtions- und Entsorgungsprozesse der modernen Ökonomie entsprechen diesen Regeln nicht: Zeitlich überschreitet ihre Geschwindigkeit die Anpassungsfähigkeit der Natur, und ihre Langzeitfolgen sind unübersehbar. In räumlicher Hinsicht stellt sich das Problem der vielfach unbekannten Distanzwirkungen und räumlichen Verkettungen von Stoffströmen. Eine zeitliche und räumliche Entschleunigung, eine neue Ökonomie des konkreten ZeitRaumes, erscheint uns daher als wesentliche Forderung an einen problemgerechten ökologischen Umbau.

Z w e i t e n s: Die Anwendung dieser Überlegungen auf den Verkehr, den wir schon im Memorandum '94 ins Zentrum unserer Überlegungen zum ökologischen Umbau gestellt hatten, verstärkt unsere damalige - und nicht von uns allein oder zuerst vertretene These, daß im Vordergrund einer Strategie zur umweltgerechten Gestaltung des Verkehrs die Verkehrsverminderung stehen müsse. Sie beginnt bei der Einschränkung unnötiger oder unnötig weiter Fahrten und Transporte, und sie richtet sich langfristig auf die Verminderung der räumlichen Trennung zwischen Arbeits-, Wohn- und Erholungsraum und auf die stärkere Regionalisierung wirtschaftlicher Vorgänge. Wie das wichtigste Moment zum Umbau der Energieversorgung die Energieeinsparung ist, so ist Verkehrsvermeidung das wichtigste Moment des umweltverträglichen Umbaus des Sektors - ohne daß die Menschen auf Mobilität verzichten müßten. Es geht beim ökologischen Umbau nicht um das Verbot von Lebensbedürfnissen und Entfaltungsmöglichkeiten, sondern um Formen ihrer Realisierung, die die Natur nicht zerstören. Diese Orientierung auf Verkehrsvermeidung und stärkere Regionalisierung des Wirtschaftens als Orientierungspunkt des ökologischen Umbaus des Verkehrssektors steht im diametralen Gegensatz zur Politik der Bundesregierung, die in erster Linie auf technologische Verminderung der Pkw- und Lkw-Emissionen bei gleichzeitiger ungebremster Zunahme von Pkw und Lkw und auf intensiven Ausbau der Autobahnen setzt.

Sie ist aber auch in der fortschrittlicheren Umweltdiskussion nicht selbstverständlich und unumstritten, die sich vor allem auf die an sich sinnvolle Verlagerung des Verkehrs auf weniger umweltschädliche Verkehrsformen und -medien wie z.B. die Bahn sowie auf den Ausbau der entsprechenden Infrastruktur richtet. Unsere Vorschläge stehen zu solchen Überlegungen nicht im Gegensatz. Wir sehen sie vielmehr als einen notwendigen Zwischenschritt und auch als dauerhaftes Element eines Umbaus, dessen Hauptorientierung allerdings langfristig auf Verkehrsvermeidung durch stärkere Re-Regionalisierung des Wirtschaftens zielt. Als erster Schritt muß allerdings zunächst und vordringlich ein weiterer Schub der Beschleunigung und der Enträumlichung verhindert werden, der durch eine drastische Senkung der Verkehrswiderstände beim Flug- und beim Autoverkehr bereits begonnen hat. Auch ein ökologischer Umbau des Verkehrssystems erfordert den Aus- und Neubau von - umweltschonender - Verkehrsinfrastruktur (und schafft daher zumindest in dieser Phase neue Arbeitsplätze). Beides sollte aber den Entwicklungszielen "Verkehrsverlagerung" und "Verkehrsvermeidung" entsprechen. Investitionen zur Kapazitätserweiterung im Straßen- und Luftverkehr lehnen wir daher ab, da durch sie die schädlichsten Verkehrsträger gefördert werden.

Einen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung von Umweltzerstörung durch den Flugverkehr würde auch die drastische Reduzierung der Militärflüge über der Bundesrepublik leisten, denn von ihnen entstammen fast 60% der durch den Luftverkehr erzeugten Luftschadstoffe. Wir halten es prinzipiell für sinnvoll, das Eisenbahnnetz als ökologisch verträglichere Alternative auszubauen. Auch hierbei ist allerdings zu problematisieren, daß dies zur weiteren regionalen Agglomeration und Spezialisierung der Produktion und damit zur Abnahme der regionalen Vielfalt einerseits und zur Zunahme der Verkehrs- und Transportströme andererseits führen kann. Hier bringt der Ausbau der Infrastruktur, selbst wenn sie für sich gesehen zu Verkehrsverlagerungen auf ökologisch verträglichere Medien führt, durch die gleichzeitige Steigerung der Verkehrsmenge per Saldo möglicherweise mehr Schaden als Nutzen.

Unter diesem Gesichtspunkt möglicher Probleme, die durch gutgemeinte Infrastrukturvorhaben hervorgerufen oder verschärft werden, sollten übrigens auch die "Transeuropäischen Netze" noch einmal kritisch überprüft werden, die von der EU - allerdings ohne konkrete Finanzierungszusagen - 1993 beschlossen worden sind und deren Aufbau mittlerweile - auch als beschäftigungspolitisches Programm - teilweise begonnen hat. Selbst beim Bau von Eisenbahnverbindungen ist zu bedenken, daß die bessere und schnellere Erreichbarkeit der ökonomischen Zentren in Europa die weitere Verdichtung dieser Ballungsräume fördern wird. Das wird dort zu zusätzlichen ökologischen Belastungen führen und in den Regionen, aus denen die Ressourcen abwandern, eine eigenständige produktive Entwicklung erschweren - ein Mangel, der dann wieder einerseits durch besonders niedrige Löhne und andererseits mit Mitteln des Regionalfonds kompensiert werden soll. Ein gezielter Aus-, Neu- und Umbau der Infrastruktur ist jedoch auch für den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr notwendig.

Einerseits besteht gerade hier das größte Verlagerungspotential vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Personenverkehr.

Andererseits erfordern auch regionalisierte Produktionsformen eine geeignete Infrastruktur für die ökologisch günstige Lösung der neu entstehenden kleinräumigeren Transportaufgaben. Natürlich kann die Re-Regionalisierung der Wirtschaft nicht abrupt erfolgen, das widerspräche schon dem Gebot der zeitlichen Entschleunigung. Sie kann sich auch nicht auf ausnahmslos alle ökonomischen Prozesse richten. Auch in Zukunft wird es Ferntransporte, Außenhandel, Flugverkehr und individuelle Pkw-Reisen geben, wenn auch in erheblich geringerem Malle und wohl auch zu erheblich höheren Kosten, weil bisher externalisierte Lasten bei der Preisbildung nicht berücksichtigt werden.

Daher ist es auch ein unverzichtbarer Anspruch ökologisch verträglicher Verkehrspolitik, die Umweltverträglichkeit der traditionellen Verkehrsmittel durch technologische Maßnahmen zu verbessern und ihre ökologischen Kosten in den Preisen wiederzugeben. Die in der verkehrspolitischen Diskussion immer wieder erhobene Forderung nach einer drastischen Anhebung der Mineralölsteuer in zeitlich genau festgelegten Schritten halten wir in diesem Zusammenhang für ein geeignetes Mittel, um Druck auf NutzerInnen und HerstellerInnen von Autos auszuüben: auf erstere, damit sie weniger Auto fahren, auf letztere, damit sie umweltverträglichere Autos herstellen.

D r i t t e n s: Eine langfristige Orientierung auf eine stärkere Regionalisierung der Wirtschaft steht natürlich in hartem Gegensatz zu den zwanghaften Internationalisierungstendenzen kapitalistischer Ökonomien und zu deren theoretischer Legitimation in den dominierenden Varianten der Außenhandelstheorie und -politik. Wir haben diese grenzenlosen Internationalisierungstendenzen schon im Memorandum '94 im Zusammenhang mit der Standortdebatte problematisiert, die von Unternehmern und der Bundesregierung mit der Stoßrichtung geführt wird, im Namen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen die Lohn-, Sozial- und Umweltstandards in Deutschland zu senken. Die Orientierung auf Weltmarktüberlegenheit verlangt von den Menschen immer neue Opferrunden und Verzichte, ohne ihnen längerfristige Wirtschaftliche und soziale Sicherheit geben zu können. Die Länder der Dritten Welt werden in dem gnadenlosen internationalen Konkurrenzkampf völlig überrollt. Als Alternative zur Weltmarktorientierung um jeden Preis hatten wir ein Konzept der Konzentration auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung mit ausgeglichenen Außenwirtschaftsbeziehungen vorgeschlagen, in dem die Unternehmen nicht mehr versuchen, ihre binnenwirtschaftlich produzierten Nachfrageprobleme nach außen zu verlagern und sich damit auf einen endlosen Kampf einzulassen, in dem am Ende keiner gewinnen, aber die Menschen verlieren werden.

Diese Argumentation soll jetzt durch eine Kritik der Internationalisierung als Hauptrichtung gegenwärtiger Unternehmens- und wirtschaftspolitischer Strategien aus ökologischer Sicht erweitert werden. Das widerspricht allerdings in besonderem Maße dem herrschenden Zeitgeist, der - jedenfalls offiziell - heute wie vor 150 Jahren das Hohelied des Freihandels, der internationalen wirtschaftlichen Arbeitsteilung singt und die segensreichen Wirkungen von beidem für alle Beteiligten betont. Positive Wohlstandswirkungen durch internationalen Handel - und durch internationalen Kapitalverkehr - werden von uns nicht prinzipiell bestritten. Internationaler Austausch und Arbeitsteilung haben vermutlich auch einen erheblichen - allerdings schwer quantifizierbaren - Einfluß auf die dynamische Entwicklung des Kapitalismus seit dem 18. Jahrhundert gehabt. Ähnliche positive Wirkungen internationaler Arbeitsteilung sollen auch für die Gegenwart nicht in Abrede gestellt werden.

So wie sich Internationalisierung heute entwickelt hat, sind sie jedoch weder die einzigen noch die alle anderen überragenden Wirkungen. Vielfach stehen ihnen negative Struktur- und Verteilungseffekte, häufig große Umweltbelastungen gegenüber, gelegentlich fehlen die positiven Effekte ganz. Im einzelnen sind insbesondere aus ökologischer Sicht folgende Einwände gegen eine Überbetonung der Internationalisierungsgewinne zu berücksichtigen: 1. Der größte Teil - gut drei Viertel - des Welthandels - und mehr als vier Fünftel der Direktinvestitionen - spielen sich nicht zwischen Ländern mit weitgehend unterschiedlicher Faktorausstattung ab, also etwa zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, sondern zwischen den entwickelten Industrieländern der OECD. Und ein zunehmender Teil dieses Handels - mittlerweile ist es mehr als die Hälfte - findet mit relativ gleichartigen Gütern - Autos, Maschinen, Elektrogeräten, Chemikalien - statt, ist sog. intraindustrieller Handel.

Damit sind jedoch die Effizienzgewinne, die nach der traditionellen Außenhandelstheorie und ihren neoklassischen Nachfolgeversionen durch die arbeitsteilige Nutzung unterschiedlicher - und im übrigen weitgehend unveränderlicher oder immobiler - Ausstattung mit Produktionsfaktoren zustande kommen, hinfällig. Effizienzgewinne im Handel mit gleichartigen Gütern zwischen Industrieländern resultieren vielmehr zum einen aus sinkenden Stückkosten bei Massenproduktion und starken Marktpositionen. Zum anderen nimmt die Produktdifferenzierung vor allem bei hochwertigen Gebrauchsgütern und in einigen Bereichen der Investitionsgüter - zu. Dabei sollte allerdings auch berücksichtigt werden, daß die Bildung individueller Präferenzen und Nachfragestrukturen auch von unternehmerischen Konkurrenzstrategien, z.B. Werbekampagnen, mitverursacht und -gelenkt wird. Da die internationale Produktionsstruktur nicht mehr in erster Linie durch die natürliche Faktorausstattung bestimmt ist, nimmt die internationale Standortkonkurrenz zu, und ihre Wohlstandswirkungen sind in der Regel höchst ungleich verteilt. 2. Beim Handel zwischen Unternehmen aus unterentwickelten Rohstoffländern und solchen aus entwickelten Industriestaaten kann in der Regel von Gleichberechtigung und gegenseitigem Nutzen nicht die Rede sein.

Die Entwicklung der Preisverhältnisse zwischen Rohstoffen und Industriegütern hält den Nutzen für die unterentwickelten Länder sehr gering. Ihre Abhängigkeit vom Kapital der Industrieländer treibt sie in die Verschuldung. Die Gläubigerländer, der Internationale Währungsfonds und die Weltbank zwingen ihnen eine vorwiegend exportorientierte Entwicklung auf, aus deren Erlösen sie die Schulden zurückzahlen sollen. Im Konzept dieser Strategien haben ökologische Gesichtspunkte bis vor kurzem keine Rolle gespielt. Es kam zu Raubbau an tropischen Regenwäldern, zu Bodenerosionen und Monokulturen, die das ökologische Gleichgewicht in den betroffenen Ländern zerstörten und mittlerweile über Klimawirkungen und die Nahrungskette auch auf die Industrieländer zurückwirken. 3. Intraindustrieller Handel zwischen Unternehmen der Industrieländer ist nicht ausschließlich eine Angelegenheit internationaler Arbeitsteilung, sondern in hohem Maße Ausdruck der unternehmerischen Absatz- und Standortkonkurrenz sowie von Produktdifferenzierungen, die ihrerseits vielfach nicht unabhängig von Unternehmensstrategien sind.

Bei diesen geht es nicht um wachsenden Wohlstand für alle, sondern um Sieg oder Niederlage der jeweils "eigenen" nationalen Unternehmen auf dem Weltmarkt. Niederlage bedeutet ökonomischen Abstieg und Verfall, während Siege nur zeitweise Bestand haben und permanent neuen Gefährdungen und Bedrohungen ausgesetzt sind. Da der internationale Handel sich nicht zwischen Staaten oder Regierungen abspielt, von Bevölkerungen ganz zu schweigen, sondern darin besteht, daß Unternehmen ihre Waren oder ihr Kapital auf ausländischen Märkten unterbringen wollen, ist es auch nicht ausgemacht, ob dabei erzielte einzelwirtschaftliche Effizienz- und Rentabilitätsgewinne, etwa aus sinkenden Stückkosten bei Massenproduktion oder aus erfolgreichen Markteroberungsstrategien, tatsächlich an die Bevölkerung weitergegeben werden, oder nicht vielmehr zur Vorbereitung neuer Siege oder zur Abwehr neuer Bedrohungen verwendet werden. Ausgemacht aber ist, daß die Eroberung und Verteidigung beherrschender Positionen auf dem Weltmarkt immer wieder soziale und ökologische Standards unter Druck setzt. 4. Die intensive Internationalisierung und insbesondere das Wachstum des interkontinentalen Handels haben zu einer enormen Zunahme der Transporte und Stoffströme mit sehr schädlichen ökologischen Folgen geführt.

Erstens haben die Stoffagglomerationen und die daraus resultierenden umweltbelastenden Immissionen in den Industrieländern - dort vor allem in den Zentren der Produktion - zugenommen.

Zweitens hat die einseitige exportorientierte Strategie in den Entwicklungsländern ökologische Labilität und massive Krisen hervorgerufen. (Für die kleine Zahl von Ländern, die sich aus dem Status der Unterentwicklung befreit haben, läßt sich demgegenüber nachweisen, daß die Grundlage ihres Erfolges eine starke Binnenorientierung mit Außenschutz sowie intensive staatliche Intervention waren.) Drittens ist die Internationalisierung und insbesondere die Interkontinentalisierung mit enormen Transportströmen und entsprechend hohen Belastungen und Kosten für die Umwelt verbunden, die sich nicht in den Transportkosten niederschlagen und teilweise wegen ihres irreversiblen Charakters überhaupt nicht niederschlagen können. Viertens finden derartige ökologisch schädliche Transporte auch vermehrt dadurch statt, daß die Produktion selbst (und nicht der Handel mit fertigen Gütern) internationalisiert und global vernetzt wird, indem verschiedene Teile eines Endproduktes in verschiedenen Ländern oder gar Kontinenten produziert, teils mehrmals hin- und hergeschickt und dann zentral endmontiert werden.

Die Schattenseite der hohen Flexibilität, mit der Unternehmen Teilproduktionen in Niedriglohnländer verlegen und sie ebenso schnell von dort wieder abziehen, wenn andere Kriterien als die Lohnkosten für sie relevanter werden, besteht in der Zerstörung historisch entstandener sozialer und ökologischer Strukturen, ohne daß sie durch dauerhaft tragfähige Alternativen ersetzt würden. Für die betroffenen Länder handelt es sich vielfach um kurzfristige Scheinblüten, längerfristig um Unsicherheiten und extreme Abhängigkeiten von den Strategien transnationaler Konzerne. Unter diesen kritischen Gesichtspunkten verliert die Internationalisierung und Globalisierang der Wirtschaft doch deutlich an Glanz, gewinnt demgegenüber die Re-Regionalisierang von Wirtschaftsstrukturen und -prozessen deutlich an Attraktivität. Es handelt sich nicht um die Verdrängung freier Weltoffenheit durch spießige Provinzialität und Nabelschau, sondern um die Korrektur von Fehlentwicklungen einer Internationalisierungsstrategie, deren einzelwirtschaftliche Effizienz- und soziale Wohlstandswirkung zunehmend unsicher geworden ist und deren gesamtwirtschafthche, strukturelle, soziale und ökologische Problematik verstärkt hervortritt. Auch in einer re-regionalisierten Weltwirtschaft wird es internationalen Warenhandel, Kapital- und Geldverkehr geben. Sie werden aber nicht mehr der Fluchtpunkt und - aufgrund ihrer Funktionsunfähigkeit - auch nicht die Rettungsstrategie privatkapitalistisch organisierter Ökonomie sein, sondern Austausch auf der Grundlage gleichberechtigter und vor allem ausgeglichener Binnenstrukturen. Die Größenordnung des internationalen Handels wird dabei erheblich abnehmen können, ohne daß dies mit wesentlichen Wohlstandsminderungen verbunden wäre. Die verbleibenden Außenwirtschaftsbeziehungen erhalten dann sehr viel stärker den Charakter internationaler Arbeitsteilung, der in der klassischen Theorie behauptet und gefordert wird, in der Realität aber mehr und mehr hinter den Konkurrenz- und Dominanzstrategien kapitalistischer Unternehmen zurückgetreten ist. Bis dahin ist es ein weiter Weg.

Allerdings lassen sich auch heute schon Schritte angeben, die in die richtige Richtung führen. Dazu gehört zum einen die schrittweise Erhöhung des Transportwiderstandes, vor allem durch eine spürbare und mit steigender Entfernung progressiv zunehmende Verteuerung der Transporte (Transportsteuer, vor allem in Form der Mineralölsteuer). Dazu gehören zweitens die Festsetzung und Durchsetzung sozialer und ökologischer Standards bei der Herstellung der Güter, die international gehandelt werden. Und dazu gehört drittens eine Regional-, Industrie- und Strukturpolitik, die die extreme Abhängigkeit der Wirtschaft, und insbesondere einzelner Regionen und Branchen, vom Weltmarkt lockert, indem sie zunehmend regionale Kreisläufe organisiert.

Aktuelle Ausgabe September 2025

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