Eine breite Debatte über Bundeswehr und Wehrpflicht will man in Bonn vermeiden, auch auf Seiten der SPD-Wehrpolitiker. Schadensbegrenzung lautet die Devise. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer erreichte im vergangenen Jahr mit 160 695 eine Rekordhöhe. Das bringt nicht nur die Nachwuchsplanung der Streitkräfte in die Klemme. Das Selbstwertgefühl der Soldaten wird verständlicherweise davon beeinflußt, daß - wie die Wehrbeauftragte Claire Marienfeld in ihrem jüngsten Jahresbericht klagt - "immer mehr Bürger von einer freien Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst" ausgingen (an sich ein schönes Beispiel demokratischer Entscheidungsvorgänge, aber so hat die Wehrbeauftragte den Satz nicht gemeint). - Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom vergangenen November zu der Tucholsky-Aussage "Soldaten sind Mörder" führt in der Truppe zur Richterschelte. Das Urteil, so die Wehrbeauftragte, stoße auf "Unverständnis" .
Es leuchtet ein, daß derzeit von den Verantwortlichen in Bonn niemand auf eine Debatte über das Rechtstaatsverständnis in der Truppe oder die Beziehungen zwischen Streitkräften und Gesellschaft erpicht ist. Gegen Verbreiter der Tucholsky-Parole wird nunmehr eine Gangart schärfer vorgegangen.