Ausgabe September 1996

Kaschmir - Knotenpunkt indisch-pakistanischer Konfliktlinien

Seit 1989/90 hat ein Konflikt, der fünfundzwanzig Jahre lang keine Rolle in der internationalen Öffentlichkeit spielte, eine zunehmende Prominenz erlangt und ist zudem ein Primärfaktor für die gravierende Verschlechterung der Beziehungen zwischen Indien und Pakistan geworden - die Auseinandersetzung in und um Kaschmir. Es gibt wenige Konflikte in der Dritten Welt, die mit einem derartigen Rauchvorhang von kontroversen Perzeptionen, Argumenten und ideologischen Konstruktionen umgeben wurden. Diese Tatsache und die durchaus reale Gefahr, daß die Intensität, die Erscheinungsformen und das konfliktbegünstigende Umfeld der pakistanisch-indischen Interessenkonfrontation zu einem erneuten Krieg führen können - und zwar weit über die Grenzen Kaschmirs hinaus, machen es zwingend erforderlich, die Problematik jenseits der faktisch zum ideologischen Krieg verkommenen offiziellen Positionen der Konfliktseiten, aber auch abgehoben von einer vordergründig politisch instrumentalisierten Menschenrechtsrhetorik, vorurteilsfrei, sachlich und ohne Illusionen zu diskutieren. Das ist zugleich eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, daß Pakistan und Indien, die wirklichen Akteure in diesem verdeckten Krieg, in einen tatsächlichen Dialog eintreten und von unverbindlichen Gesprächen mit gebetsmühlenhaft wiederholten Statements zur Verhandlung von Sachfragen vordringen.

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