So viel Mitte war nie. Eintracht im Blätterwald und bei den sprechenden Köpfen auf dem Bildschirm: Die Wahlen vom November hätten bestätigt, daß Amerikaner "nichts Extremes" wollten; die Nation habe für "die Mitte" gestimmt, einen Demokraten ins Weiße Haus geschickt, und als Gegengewicht dazu Newt Gingrich und Co. in den Kongreß. Präsident Bill Clinton selber sagt, daß er das "vitale Zentrum" repräsentiere. Im neuen Kabinett seien keine Ideologen, sondern kompetente Leute, die Probleme "vernünftig" angingen und Konsens suchten. Der Verteidigungsminister in spe ist sogar ein Republikaner. Clintons Brücke in das 21. Jahrhundert befährt man auf dem Mittelstreifen. "Mitte", das klingt irgendwie erhaben, da denkt man an einen Vater der Nation, der aufpaßt, daß die Kinder namens Links und Rechts nicht raufen, sondern kooperative Spiele spielen. In Wirklichkeit sind die Thesen von der angeblich allseits erwünschten "Mitte" (ein kürzlicher "Blätter"-Aufsatz machte gar einen "amerikaeigenen Zentrismus" ausfindig 1)) bei der Analyse der amerikanischen Politik nicht besonders nützlich.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.