Tony Blairs flotter Spruch, er wolle weder links noch rechts, sondern vielmehr "vorne" sein, kokettiert zweifellos mit der verbreiteten Ansicht, die Orientierungsmarken "links" und "rechts" seien bestenfalls noch geeignet, der "Neuen Mitte", nach der sich alles drängt, ein wenig historische Kontur zu verleihen. Wie soll man in der Tat diesem symbolpolitisch attraktiven, aber eher farblosen Ort Glanz verleihen, wenn man nicht gelegentlich mit den "Extremen" droht; Bewährte Deutungs- und Orientierungsmuster werden unweigerlich neu aufgeladen, wenn die historische Machtkonstellation umbricht, die sie getragen hat. Und neue Orientierungsmuster haben nur dann eine Chance, wenn sie auch vergangene Erfahrungen ins rechte Licht rücken. Kontinuierliche Verwendung und diskontinuierliche Bedeutung - das kann man getrost als "Normalität" solcher Orientierungsschemata ansehen. Ich möchte einige Vermutungen darüber anstellen, welche Kräfte den öffentlichen Verkehrswert des Links-Mitte-Rechts-Schemas nach 1990 verschoben haben, teils bestimmt durch den Kontakt des Schemas mit den historischen Ereignissen, teils durch den Druck längerfristiger Verschiebungen im massendemokratischen Macht- und Öffentlichkeitsgefüge.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.