Zum Spannungsverhältnis zwischen politischem Handlungsdruck und Völkerrecht
I. Gewaltmonopol der UNO - ein populäres Mißverständnis
Die These von einem "Gewaltmonopol" der UNO genießt in der friedenspolitischen Diskussion der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren wachsende Popularität. In den Dokumenten und Aussagen der neuen Bundesregierung nimmt sie ebenfalls einen prominenten Platz ein. So stellte der Bundeskanzler in der Regierungserklärung vom November 1998 ausdrücklich fest: "Dabei setzt sich die Bundesregierung aktiv dafür ein, das G e w a l t v e r b o t [Hervorhebung vom Verf.] der Vereinten Nationen zu bewahren..." In der Koalitionsvereinbarung ist ähnliches zu lesen. Seitens der Opposition dagegen bezeichnete Wolfgang Schäuble in der Bundestagsdebatte über den NATO-Aktivierungsbeschluß die Frage als "komplizierter"; in Übereinstimmung mit der Bundesregierung halte er ein Gewaltmonopol aber für wünschenswert. Der Begriff des Gewaltmonopols stammt aus dem Staats- und Verfassungsrecht. Es ist, neben der Steuer- und Budgethoheit, ein zentrales Element staatlicher Autorität. Allein staatliche Einrichtungen sind im Rahmen der Gesetze zur Ausübung von Gewalt berechtigt. Notwehr und Nothilfe sind äußert restriktiv definierte Tatbestände zur Ausübung von Gewalt durch den Bürger bei der Abwehr unmittelbarer Gefahren für sich selbst oder andere.