Ausgabe Mai 1999

Expatriierung der Nuklearstandorte

Haben sich die Rot-Grünen erneut vergaloppiert, weil niemand die Schadenersatzforderungen der westlichen Wiederaufbereiter wegen entgangener Geschäfte bezahlen kann und die der deutschen Stromkonzerne gleich gar nicht? Weit gefehlt! Es gibt sehr wohl die Chance, den Ausstieg aus der Kernenergie entschädigungsfrei, umfassend und unumkehrbar innerhalb dieser Legislaturperiode zu regeln, wie im Koalitionsvertrag versprochen. Diese Möglichkeit ist einfach, kostenneutral, und sie zerstört keinen einzigen Arbeitsplatz in den Wahlkreisen, wo die Meiler stehen und jetzt schon Wut und Panik hochkochen ob der drohenden Steuer- und Jobverluste beim Abschalten der langsamen Brüter. Die Bundesrepublik erklärt einfach die Gebiete um die 19 Atomkraftwerke zu exterritorialen Exklaven. Sie werden völkerrechtlich selbständige Homelands, in denen freilich - im Gegensatz zu den einstigen Homelands Südafrikas - sich nicht die Armut konzentriert, sondern eine enorme Wertschöpfung, weil nicht Arbeitskräfte dorthin verbannt werden sondern Arbeitsplätze, und zwar die vielleicht ergiebigsten Jobs des Kontinents. Wenn es von Steueroasen in Europa geradezu wimmelt, warum soll es dann keine Nuklearoasen geben?

Ein kleines Problem freilich ist dabei noch zu umschiffen.

Mai 1999

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