Ausgabe Juni 2000

Testfall Livingstone

"Wie ich schon sagte, bevor ich vor vierzehn Jahren so unhöflich unterbrochen wurde" - mit diesen Worten eröffnete Ken Livingstone am 5. Mai 2000 die zweite Halbzeit seines politischen Lebens und nahm seine Wahl zum ersten direkt gewählten Bürgermeister der Stadt London an. Die erste Halbzeit hatte er als Vorsitzender des "Greater London Council" 1981 begonnen und war 1986 von der Thatcher-Regierung aus dem Amt getrieben worden. Diese hatte den von der Labour Party dominierten GLC durch einen Verwaltungsakt abgeschafft und "Red Ken" Livingstone in die politische Wüste geschickt. Seit dieser Zeit hatte er in der unter Kinnock und Blair bis zur Unkenntlichkeit modernisierten Labour Party keine herausragende Position in der Parteihierarchie mehr eingenommen. Er saß zwar im Parlament, aber seine Außenwirkung als Abgeordneter beschränkte sich auf das Verfassen von Zeitungskolumnen. Als New Labour dann unter Blair 1997 an die Regierung zurückkehrte, war das Projekt der "devolution", das heißt der Regionalisierung des zentralisistischen Westminster-Modells durch die Einführung von Regionalparlamenten in Wales und Schottland, ein zentraler Bestandteil des Regierungsprogrammes.

Die Direktwahl des Londoner Bürgermeisters sollte die Krönung des Reformwerkes von New Labour bilden.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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