Ausgabe Mai 2000

Global Governance im WWW

Das Internet ist in wenigen Jahren vom amerikanischen Forschungsnetz zum globalen Netz der Netze geworden. Um so überraschender ist, dass das rasante Wachstum von keiner Zentrale koordiniert wurde. Weder gab es eine Regierung noch eine andere zentrale Organisation, welche die Technik gesteuert hätte. Doch nun soll die von der US-Regierung gegründete Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) Schlüsselpunkte des globalen Internets steuern. Um ICANN für diese Aufgabe zu legitimieren, werden für ihr Direktorium dieses Jahr weltweite Online-Wahlen veranstaltet. Stehen wir also vor der Errichtung einer repräsentativen OnlineDemokratie? Kann das Internet so vom Motor und Sinnbild der Globalisierung, zum Paradigma einer kosmopolitischen und transnationalen Demokratie avancieren, die weltweites Regieren - Global Governance - mit neuen Mitteln erlaubt?

Weithin wird der Tod des Staates vorhergesagt, da Globalisierung und idealtypisch der Cyberspace nationalstaatlich fixierte Demokratien vor ein gemeinsames Problem stellen: Beide ignorieren die Grenzen des territorial definierten Nationalstaates und untergraben somit nicht nur seine Fähigkeit effizient zu regieren, sondern stellen die Demokratie grundsätzlich in Frage. Beide heben die geographische Übereinstimmung von Regelnden, die durch kollektive Entscheidungen (Wahlen) legitimiert sind, und Verregelten im Nationalstaat auf.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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