Worauf beruhte die Fehleinschätzung? Der Wahlsieg Ehud Baraks am 17. Mai 1999 war nichts anderes als eine optische Täuschung. Netanyahu hatte zum Ende seiner Amtsperiode nach und nach sein Image als "Magier" eingebüßt und zudem viele frühere Weggefährten verloren. Somit erlitt er bei der Direktwahl des Ministerpräsidenten eine klare Niederlage. Die rechten Parteien behielten jedoch die Mehrheit in der Knesset: Die drei religiösen Parteien, die zuvor zur Netanyahu-Koalition gehörten, legten an Stimmen zu und brachten es auf 27 Sitze. Zusammen mit der dezimierten LikudPartei (19 Sitze), der rechtsradikalen "Nationalen Einheit" und der Partei der russischen Einwanderer (beide je sechs Sitze) stellten sie mit 58 der 110 "jüdischen Mandate" die Mehrheit. Die übrigen zehn Sitze der arabischen Abgeordneten gelten in Israel, das sich in zunehmendem Maße als j ü d i s c h e r Staat versteht, ohnehin als außen vor. Das Ergebnis: Die von Barak gebildete Koalition bestand fast zur Hälfte aus Parteien und Abgeordneten der israelischen Rechten, die früher in der Netanyahu-Koalition vertreten waren.
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.