Ungarn mit seinen 10 Millionen Einwohnern genießt - im Vergleich zu den anderen Ex-COMECON-Ländem - eine gewisse Sonderstellung, die nicht nur aus den relativ guten Wirtschaftsdaten - 5% Wirtschaftswachstum, 7% Inflationsrate - sondern, so eigenartig und irrational es auch klingen mag, auch aus der alten "CsardasHusaren-" und "Zigeunermusik"-Mentalität herrührt. So ist der Weg von Budapest nach Brüssel sicherlich leichter als der von Prag, Warschau, Laibach, Bukarest und Sofia, obwohl alle lieber heute als morgen die volle EU-Mitgliedschaft erreichen wollen. Der scheidende ungarische Staatspräsident Árpád Göncz, der sein Amt im August 2000 seinem vom Parlament gewählten Nachfolger Ferenc Madls übergab, drückte in seiner letzten offiziellen Rede die Hoffnung der Liberalen und Mitte-Links-Parteien - im Gegensatz zu den Rechten - aus, dass Ungarn in absehbarer Zeit Mitglied der EU sein wird: "In einem Europa, in dem theoretisch ein jeder das Recht auf Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz hat (aber, nur der...) der diese Möglichkeiten wahrnehmen kann." 1) Einer der wichtigsten "Pflastersteine" Ungarns auf dem Weg in die EU sind die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu den verschiedenen EU-Ländern, wobei die Magyaren - aus verständlichen Gründen - großen Wert auf die Gegenseitigkeit legen.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.