Ausgabe März 2001

Die Bedeutung nationalstaatlicher Grenzen

Oder: Die Transformation des Territorialstaates zur Demokratie

In der gegenwärtigen Diskussion, die den demokratischen Nationalstaat leichtfüßig hinter sich läßt, gilt es als ausgemacht, daß dieser eine kleinräumige Parzellierung der Welt impliziere, die jeder Lösung grenzüberschreitender und globaler Probleme entgegenstehe. In diesem Kontext wird zugleich das Prinzip der Staatssouveränität, ohne daß dessen Innenaspekt der Volkssouveränität noch thematisiert würde, als schierer Anachronismus verworfen. Da diese Einschätzung auf jeden Begründungsaufwand verzichtet und ihre Prämissen als allseits bekannte Fakten behandelt, bleibt die Frage: Kennen wir die Prinzipien wirklich, die heute verabschiedet werden sollen? Wenn gegenwärtig das "Ende der Demokratie" deshalb verkündet wird, weil die Epoche des Nationalstaates vorüber sei 1), so unterscheidet sich dieses Diktum Jean-Marie Guéhennos vom Mainstream der aktuellen Diskussion nur durch das offene Eingeständnis, daß eine Demokratie, die den Namen noch verdient, in supranationalen Großräumen oder gar in einem Weltstaat nicht mehr organisiert werden kann. Ansonsten besteht völlige Übereinstimmung in der Identifikation des wesentlichen Merkmals, das die Antiquiertheit des Nationalstaats begründe: das Prinzip starrer Staatsgrenzen.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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