Ausgabe Mai 2001

Roma locuta, causa finita?

Wegen der tödlichen Schüsse an der Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD wurden bisher mehr als 150 ehemalige Bürger der DDR als Totschläger verurteilt. Gegen die Grenzsoldaten und ihre unmittelbaren Vorgesetzten ergingen zumeist Bewährungsstrafen. Etwa 40 Angeklagte erhielten hohe Haftstrafen, so der Verteidigungsminister Heinz Kessler siebeneinhalb, sein Stellvertreter und Generalstabschef der Nationalen Volksarmee Fritz Streletz fünfeinhalb und der letzte SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz sechseinhalb Jahre. Letztere und ein Grenzsoldat wandten sich, nachdem die innerstaatlichen Rechtsmittelverfahren ausgeschöpft waren, mit Beschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Sie beantragten, der Gerichtshof möge feststellen, dass Deutschland durch die Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Tötungsdelikten an der Grenze Artikel 7 Abs. 1 (Nulla poena sine lege) der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 verletzt hat. Diese Bestimmung lautet: "Niemand kann wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war." Weil die Rechtssache schwerwiegende Fragen aufwirft, befasste sich die Große Strafkammer damit. Am 22.

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Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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