Ungarn, quo vadis? Diese Frage stellt sich angesichts der politischen Zukunft des Landes nach den Parlamentswahlen: In den Jahren der rechtsliberalen FIDESZ-Regierung (zusammen mit der Unabhängigen Partei der Kleinbauern/FKgP und dem Demokratischen Forum/MDF) hat sich das ungarische politische System zurückentwickelt. Elemente der vordemokratischen Zeit wie die Nichtachtung der Opposition und des Zentralismus haben sich in letzter Zeit wieder durchgesetzt. Die Konfrontationspolitik der FIDESZ-Regierung wird auch in Zukunft Konsequenzen zeigen: Eine der schwerwiegendsten Folgen liegt in der Schwächung des Parlaments. Nicht zuletzt verringerte man gegen das Votum der Opposition die Arbeitszeit des Parlaments. Ferner führte die durch faktische Kooperation zwischen Regierung und rechtsradikaler MIEP verursachte 100prozentige Besetzung der Kuratorien der öffentlichrechtlichen Medien durch die Regierung zu einer Isolation der Opposition, obwohl das Gesetz eine 50:50-Beteiligung von Oppositions- und Regierungsparteien vorsieht. Auf diese Weise wurde die Opposition an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit gebracht.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.