Ausgabe Januar 2003

Die neue Ernsthaftigkeit

Politik in postironischen Zeiten

Vor drei Jahren erzielte der damals erst vierundzwanzigjährige Jedediah Purdy mit seiner Streitschrift „For Common Things“ großes Aufsehen in Amerika. Aufgewachsen in der tiefsten Provinz West Virginias, forderte der junge Harvard-Student seine Landsleute auf, ihre Haltung des distanzierten Egoismus zu verlassen und sich den öffentlichen Angelegenheiten zuzuwenden. Jetzt ist das Buch auch in der deutschen Übersetzung unter dem Titel „Das Elend der Ironie“ erschienen. Doch wie hat sich die Haltung der Amerikaner seit dem 11. September verändert? Wie verträgt sich Ironie mit Terror und Krieg? Und wo zeigen sich möglicherweise Ansätze einer Repolitisierung der amerikanischen Gesellschaft? Die „Blätter“ sprachen mit Purdy anlässlich der Vorstellung seines Buches in Berlin. – D. Red.

„Blätter:“ In Ihrer Analyse der amerikanischen Gesellschaft diagnostizieren Sie Politikflucht, den Rückzug ins Private und verbreitete Politikverdrossenheit als dominierende Haltungen der Bevölkerung – alles Phänomene, die wir auch in Europa erleben.

Sie haben etwa 3% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 97% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.