Ausgabe März 2003

Europas variable Geometrie

Die erweiterte Union braucht eine Avantgarde

Die Europäische Union steht heute vor der Herausforderung, die größte und zugleich anspruchsvollste Erweiterung ihrer Geschichte zu meistern. 1999 hatte der Europäische Rat in Helsinki entschieden, (neben den ersten sechs) mit weiteren sechs Ländern Erweiterungsverhandlungen aufzunehmen und der Türkei den Kandidatenstatus einzuräumen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten es die EU und ihre Mitgliedstaaten versäumt, die Zielperspektiven einer erweiterten Union zu reflektieren. Es schien, als sei die in der Folge der Ereignisse von 1989 gewonnene Freiheit zur Selbstdefinition „Europas“ eher Last als Lust, sowohl für das bereits integrierte Westeuropa als auch für Mittel- und Osteuropa.1 Erst während der Regierungskonferenz von Nizza, deren Ergebnisse von vielen als enttäuschend kritisiert wurden2, entstand eine neue Debatte über die Finalität EU-Europas, die vor allem von deutschen und französischen Politikern geführt wurde.3

Der als historisch deklarierte Kopenhagener EU-Gipfel im Dezember 2002 besiegelte schließlich die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern – Europas „Wiedervereinigung“ ist (aus Perspektive der EU) unter Dach und Fach.4 Ob sie für die Union als Institution zu einem Erfolg werden wird oder ob dieser Erfolg nicht zugleich eine Krise bedingt, bleibt abzuwarten.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.