Die erweiterte Union braucht eine Avantgarde
Die Europäische Union steht heute vor der Herausforderung, die größte und zugleich anspruchsvollste Erweiterung ihrer Geschichte zu meistern. 1999 hatte der Europäische Rat in Helsinki entschieden, (neben den ersten sechs) mit weiteren sechs Ländern Erweiterungsverhandlungen aufzunehmen und der Türkei den Kandidatenstatus einzuräumen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten es die EU und ihre Mitgliedstaaten versäumt, die Zielperspektiven einer erweiterten Union zu reflektieren. Es schien, als sei die in der Folge der Ereignisse von 1989 gewonnene Freiheit zur Selbstdefinition „Europas“ eher Last als Lust, sowohl für das bereits integrierte Westeuropa als auch für Mittel- und Osteuropa.1 Erst während der Regierungskonferenz von Nizza, deren Ergebnisse von vielen als enttäuschend kritisiert wurden2, entstand eine neue Debatte über die Finalität EU-Europas, die vor allem von deutschen und französischen Politikern geführt wurde.3
Der als historisch deklarierte Kopenhagener EU-Gipfel im Dezember 2002 besiegelte schließlich die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern – Europas „Wiedervereinigung“ ist (aus Perspektive der EU) unter Dach und Fach.4 Ob sie für die Union als Institution zu einem Erfolg werden wird oder ob dieser Erfolg nicht zugleich eine Krise bedingt, bleibt abzuwarten.