Ausgabe November 2003

Der Weltbürger als Untertan

Von der zwischenstaatlichen zur innergesellschaftlichen Brutalisierung der Politik

Englische und amerikanische Beiträge zur Debatte über den Irakkrieg oder die Neue Weltordnung bedienen sich in letzter Zeit nicht selten originalsprachlich verwendeter deutscher Begriffe, um Angelpunkte ihrer Argumentation zu fixieren. So spricht Ted Honderich in seinem umstrittenen Buch "Nach dem Terror" von "Realpolitik", wenn er das Politikmodell kennzeichnen will, dem seine Kritik gilt.1 In Robert Kagans neokonservativem Manifest der Neuen Weltordnung2 bildet das originalsprachliche Label "Machtpolitik" den Zentralbegriff eines Politikverständnisses, welches in polemischer Entgegensetzung zu verständigungsorientierten Versionen von Politik entwickelt wird. Sogar "Blitzkrieg", Inbegriff Hitler’scher Panzerstrategie und im Schlieffen-Plan als – dann fehlgeschlagener – Eröffnungszug des Ersten Weltkriegs zuerst konzeptualisiert, gelangt als Eckbegriff militärischer Flankierung des neuen Weltverständnisses wieder zu Ehren. So schreibt beispielsweise Max Boot in "Foreign Affairs", dass der schnelle und mit geringen eigenen Opfern erreichte Sieg über den Irak den bisherigen "gold standard of operational excellence" abgelöst habe, den "the German blitzkrieg through the Low Countries and France in 1940" bis dahin gebildet habe.

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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