Ausgabe September 2003

Der versagende Hegemon

Außer den Neunmalklugen sehen sich alle Beteiligten, Befürworter wie Gegner der Irakinvasion, durch Krieg und Kriegsfolgen mit unvorhergesehenen Fragen konfrontiert. Einfach zur Normalität zurückzukehren ist nicht möglich. Alle Seiten wissen das, auch wenn sie jetzt business as usual simulieren.

Anpassen oder "Maulhalten" sind derzeit en vogue. Das ist die unvermeidliche Konsequenz der Prügelpädagogik, mit der Washington unter Bush II auf Kritik reagiert. Aber so lässt sich das Konfliktknäuel nicht lösen, und schon gar nicht die atlantische Kooperation reparieren. Oder soll sie auf der Basis demonstrativer Unterwerfung neu begründet werden?

Zugegeben: Angesichts des Zustands der Weltordnung und ihrer Institutionen, ihrer versagenden Konfliktbewältigungskompetenz erscheint die Idee, die USA sollten als Hegemonialmacht eines unipolaren Weltsystems leisten, was das multipolare UN-System bisher nicht zu leisten vermochte, nicht von vornherein abwegig1. Fragt sich nur, ob die USA, unter Bush II oder sonst wem, tatsächlich willens und in der Lage sind, die ihnen angesonnene Weltordnungsrolle zu spielen. (Nach Bush I hat man das Wort "neue Weltordnung" lange nicht mehr gehört). Wenn ja, bleibt die zweite Frage, ob ein unipolares Ordnungssystem der Komplexität der modernen, wenn nicht multipolaren, so doch multikulturellen Welt gerecht zu werden vermag.

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