Die Republik im Steuersenkungsrausch
Schon zu Beginn des Jahres steht fest: Die Steuerreform wird auch 2004 eines der beherrschenden Themen der Bundespolitik sein. Dazu trägt, ironischerweise, maßgeblich der im letzten Dezember gefundene Steuerkompromiss bei, dessen Tauglichkeit bereits im Augenblick seiner Verabschiedung von allen Seiten energisch in Abrede gestellt wurde.
Und tatsächlich wird mit der jeweils ungefähr zur Hälfte in 2004 und 2005 vorgesehenen Senkung der Einkommensteuer im Rahmen der dritten Reformstufe das dringend erforderliche Vertrauen in die Stabilität des Steuersystems nicht herzustellen sein. Die alten Ungerechtigkeiten sind nicht beseitigt worden. Solange beispielsweise auf Maßnahmen zur Eindämmung der legalen und illegalen Steuervermeidung verzichtet wird, kann keine Akzeptanz des Steuersystems entstehen. Der Staat wird zudem immer ärmer, weil mit der gegenwärtigen Steuerpolitik die Binnenwirtschaft kaum zu stärken ist. So darf es nicht überraschen, wenn heute gilt: Nach der Reform ist vor der Reform.
Dies hat zur Folge, dass der Wettbewerb um radikale Modelle der Steuersenkung in diesem Jahr noch hektischer werden wird – ohne Rücksicht auf die damit wegbrechende Finanzierungsbasis des öffentlichen Sektors. Diese "Steuersenkungs-Meisterschaft" wird durch die Sehnsucht nach einer radikalen Vereinfachung der Besteuerung angetrieben.