Ausgabe März 2006

Venezuela und das Neue Lateinamerika

Das kolumbianische Magazin „Semana“ wählte den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez jüngst zum „Mann des Jahres 2005“. Damit war Chávez der erste Ausländer, dem diese Auszeichnung zuteil wurde. Er habe, so die Begründung, die „politische Landkarte” Lateinamerikas grundlegend verändert und die Möglichkeit anderer zwischenstaatlicher Beziehungen aufgezeigt. Dadurch sei Chávez zum inzwischen einflussreichsten Mann des Subkontinents avanciert.

In der Tat zielt die Außenpolitik Venezuelas auf die kontinentale Integration, um einen lateinamerikanisch-karibischen Block aufzubauen, der ein eigenes Entwicklungsmodell verfolgen und souverän im Weltgefüge agieren kann. Dieser soll ein Gegengewicht zu hegemonialen Bestrebungen vor allem der USA, aber auch der Europäischen Union, bilden.

Auf dem Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) im Jahr 2000 in Kanada stand Chávez mit der Ablehnung der kontinentalen Freihandelszone FTAA/ALCA noch alleine. Auf dem letzten OAS-Gipfel im November 2005 in Buenos Aires dagegen wurde seine Position vom Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) unterstützt, auf den rund 70 Prozent der Exporte des Subkontinents entfallen. In der Folge wurde das ALCA, sehr zum Ärger der US-Regierung, faktisch gekippt.

Nur wenig später, am 9.

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.