Mitte der 90er Jahre fand in Berlin, im „Haus der Kulturen der Welt“, eine prominent besetzte Türkei-Veranstaltung statt. 1994 hatte es am Bosporus Kommunalwahlen gegeben, und die islamistische Wohlfahrtspartei hatte neben einer Reihe von anatolischen Städten auch in den beiden wichtigsten Metropolen, in der Hauptstadt Ankara und in Istanbul, einen großen Sieg errungen. Das bedeutete, dass dort künftig islamistische Ober- und Stadtteilbürgermeister regieren würden.
Die meistdiskutierten Punkte der Konferenz lauteten deshalb: Wer wählt die Islamisten? Und, vor allem, was werden diese jetzt machen? Wollen sie die Türkei in einen zweiten Iran verwandeln?
Auf dem Podium saß unter anderem der Dichter Ismet Özel. Früher ein Linker, war der von der Literaturkritik hoch geschätzte Poet inzwischen zu den Islamisten übergelaufen. Er hielt eine scha-denfrohe Rede, in der er das islamistische Gedankengut offensiv verteidigte. Zum Schluss sagte er den denkwürdigen Satz: „In der Türkei gibt es heute zwei Lebensweisen. Wir werden sie auf eine reduzieren.“
Heute, gut zehn Jahre später, gibt es keinen Zweifel mehr: Das und nichts anderes ist das Programm der türkischen Islamisten.