Ausgabe Juni 2008

Wie die Lobby Europa regiert

Wie viel Einfluss haben Lobbys auf die Politik? In Berlin wie auch in Brüssel erhitzt diese Frage gegenwärtig die Gemüter. War es in der Bundeshauptstadt der Rechnungshof, der die direkte Einflüsterung von Unternehmensinteressen in Bundesministerien thematisierte, 1 sind es am Hauptsitz der EU-Institutionen vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die die Entscheidungsfindung der „Blackbox EU“ analysiert haben. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die organisierten Interessen, insbesondere die Wirtschaftslobby, scheinen nicht nur äußerst effektiv von außen auf europäische Politik Einfluss zu nehmen. Sie gestalten vielmehr die Gesetzesarbeit für fast 500 Millionen Menschen in Europa oft bereits bei ihrer Entstehung mit – als sogenannte Experten und Berater. EU-Kommission und Europäisches Parlament wollen nun mit einem Lobby-Register für mehr Transparenz sorgen.

Mehr als 15 000 Interessenvertreter von Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften oder NGOs arbeiten in Brüssel. Damit ist die Hauptstadt der EU nach Washington der zweitwichtigste Lobby-Platz in der Welt. Auf jeden der 785 Abgeordneten kommen fast 20 Lobbyisten.

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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