Ausgabe September 2008

Irak: Klientelpolitik als Flüchtlingsschutz

Der Exodus mehrerer Millionen Menschen aus dem Irak hat sich mittlerweile zur größten Flüchtlingsbewegung im Nahen Osten seit der Staatsgründung Israels entwickelt. Dies hat nicht nur zu erheblichen realpolitischen Verwerfungen in der Region geführt, sondern in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene auch eine kontroverse Debatte in Gang gesetzt.

Die kürzlich auf September verschobene Entscheidung über den Vorschlag des Bundesinnenministers, bis zu 20 000 irakische Christen in Deutschland aufzunehmen, ist das jüngste Beispiel für diese Entwicklung. Obwohl internationales Engagement zur Lösung der anhaltenden humanitären Krise in der Region prinzipiell zu begrüßen ist, beruhen derlei Vorschläge jedoch auf einer Wahrnehmung des Irakkonflikts, die an der Wirklichkeit im Land weitgehend vorbeigeht.

Der unter anderem auf Initiative der christlichen Kirchen erarbeitete Vorschlag, in erster Linie christliche Iraker aus Syrien und Jordanien langfristig nach Deutschland zu evakuieren, scheint auf den ersten Blick durchaus sinnvoll. 1 Eine genauere Analyse der Situation vor Ort lässt den – sicherlich gut gemeinten – Vorschlag jedoch in einem anderen Licht erscheinen. Zu kritisieren ist er aus den folgenden Gründen:

Erstens sollte internationaler Schutz von Flüchtlingen auf objektiven und überparteilichen Kriterien beruhen.

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