Ausgabe September 2008

Irak: Klientelpolitik als Flüchtlingsschutz

Der Exodus mehrerer Millionen Menschen aus dem Irak hat sich mittlerweile zur größten Flüchtlingsbewegung im Nahen Osten seit der Staatsgründung Israels entwickelt. Dies hat nicht nur zu erheblichen realpolitischen Verwerfungen in der Region geführt, sondern in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene auch eine kontroverse Debatte in Gang gesetzt.

Die kürzlich auf September verschobene Entscheidung über den Vorschlag des Bundesinnenministers, bis zu 20 000 irakische Christen in Deutschland aufzunehmen, ist das jüngste Beispiel für diese Entwicklung. Obwohl internationales Engagement zur Lösung der anhaltenden humanitären Krise in der Region prinzipiell zu begrüßen ist, beruhen derlei Vorschläge jedoch auf einer Wahrnehmung des Irakkonflikts, die an der Wirklichkeit im Land weitgehend vorbeigeht.

Der unter anderem auf Initiative der christlichen Kirchen erarbeitete Vorschlag, in erster Linie christliche Iraker aus Syrien und Jordanien langfristig nach Deutschland zu evakuieren, scheint auf den ersten Blick durchaus sinnvoll. 1 Eine genauere Analyse der Situation vor Ort lässt den – sicherlich gut gemeinten – Vorschlag jedoch in einem anderen Licht erscheinen. Zu kritisieren ist er aus den folgenden Gründen:

Erstens sollte internationaler Schutz von Flüchtlingen auf objektiven und überparteilichen Kriterien beruhen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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