Ausgabe September 2009

Das lange Leben des preußisch-deutschen Militarismus

Der 1. September ist zur Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs in Deutschland seit 1957 „Antikriegstag“, der dritte Dienstag im September zu Ehren der Eröffnung der UN-Generalversammlung „Weltfriedenstag“ (in Japan ist es zur Erinnerung an Hiroshima der 6. August) – könnte es da ein wichtigeres „Buch des Monats“ geben als Wolfram Wettes mahnendes „Militarismus in Deutschland. Geschichte einer kriegerischen Kultur“?

Liest man dieses Werk des wohl engagiertesten Kenners der militärischen Dimensionen deutscher Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund der eindrucksvollen Widerstandsbiographien einfacher Menschen, so vergrößert sich der Respekt, den man vor den soeben rehabilitierten Militarismus-Dissidenten, den sogenannten Kriegsverrätern, haben muss. So unerbittlich und überwältigend war die auf das Militär zugeschnittene Ideologieproduktion, mit der die deutsche Gesellschaft dem neuen Nationalstaat gefügig gemacht und eingepasst wurde, dass jeder Dissident fast wie ein Wunder erscheinen muss. Und doch sind es gerade diese vielen Einzelnen, die uns Deutsche von dem bösen Ruf erlösen, ein Volk nur von Tätern und Mitläufern gewesen zu sein. Sie waren indes nicht die „Dichter und Denker“, nicht die Gebildeten und Großen der deutschen Gesellschaft, sondern ganz überwiegend einfache Menschen aus dem Volke. Der Militarismus als Lebensform und stabilisierendes Wertesystem war seit der zweiten Hälfte des 19.

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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