Das unwürdige Gezerre um die Kriegsverräter
Am 8. September, wenige Tage, nachdem sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 70. Mal jährte, wird der Bundestag die Urteile der Wehrmachtjustiz gegen sogenannte Kriegsverräter aufheben. Als Kriegsverrat galt, was „dem Feind nützt“ bzw. „Deutschland schadet“. Die prinzipiell verhängte Todesstrafe traf jeden, der versucht hatte, Juden zu retten, ebenso wie diejenigen, die in ihren Tagebüchern Kritisches zu den deutschen Kriegsverbrechen notiert hatten.
Die Verurteilten waren also durchweg honorige Menschen.[1] Mit ihnen wird nach den Kriegsdienstverweigerern, Wehrkraftzersetzern und Wehrmachtsdeserteuren die letzte moralisch-politisch legitimierte Gruppe der von der militärischen Sonderjustiz Verfolgten rehabilitiert.
Die politische Auseinandersetzung darüber wurde mehr als 20 Jahre geführt. Dass sie jetzt mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen wird, markiert ohne Zweifel eine begrüßenswerte Zäsur. Unter lebensgeschichtlichem Aspekt muss allerdings festgestellt werden, dass die späten Rehabilitierungen fast nur noch symbolischen Charakter haben, weil die meisten Opfer längst als Rechtsbrecher gestorben sind. Deshalb rehabilitiert sich die deutsche Gesellschaft mit diesem Beschluss vor allem selbst.
Dabei drängt sich die Frage auf, warum sich Politik und Gesellschaft mit der Aufhebung der Urteile so schwer taten.