Ausgabe Juni 2011

Irrlichter der Gesundheitspolitik

Auch unter dem neuen Gesundheitsminister, Daniel Bahr (FDP), werden wir weiterhin damit konfrontiert werden, dass es so nicht mehr weiter geht: Die Kosten des Gesundheitswesens explodieren. Wir müssen dringend nach Wegen suchen, den Kostenanstieg zu bremsen. Tabulos gehören deshalb alle Ausgaben für Gesundheit auf den Prüfstein. Denn auf Dauer werden wir uns die herrschende „Vollkaskomentalität“ nicht mehr leisten können.

Seit geraumer Zeit schon beherrschen diese und ähnliche Aussagen die gesundheitspolitische Debatte in der Bundesrepublik. Dass es sich bei den scheinbar objektiven Aussagen in Wirklichkeit um Mythen handelt, erkennen dabei nur Eingeweihte. Das ist kein Zufall, dienen diese Mythen doch bestimmten Interessengruppen dazu, ihre jeweiligen Partikularinteressen als allgemeine Interessen darzustellen – und gesellschaftlich durchzusetzen.

Will man eine ernsthafte Diskussion über ein solidarisches Gesundheitswesen führen, ist es daher notwendig, Mythos und Wahrheit zu trennen. Dazu muss man jedoch auch wissen, dass Mythen nicht per se Lügen sind. Oftmals sind sie eher populäre Irrtümer, die ihre Plausibilität und Wirkungsmacht daraus ziehen, dass sie an Alltagserfahrungen anknüpfen und komplexe Sachverhalte in einfache, vermeintlich naturhafte Zustände übersetzen. Damit aber werden tatsächliche in scheinbare Zusammenhänge verkehrt.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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