Ausgabe Juni 2011

Jenseits von Karikatur und Travestie: Marx im 21. Jahrhundert

Das Böse – ziemlich selten. Karl Marx – weitgehend im Recht. Wie das? War und ist nicht das Böse ubiquitär, „von Adam und Eva bis hin zu Abu Ghraib“ (John Banville) oder gar bis zu den Schüssen von Abbottabad im Mai 2011? Und waren Marx’ Ideen nicht ursächlich für das „Reich des Bösen“ (Ronald Reagan), für Massenmord und Zwangswirtschaft von Stalin bis zu Pol Pot?

Terry Eagleton scheint beides zu bezweifeln. In seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Essay „Das Böse“ (On Evil) plädiert er deshalb für ein genaueres Hinsehen: „Ein Kleinkind mag entsetzt sein beim Anblick einer Frau, die einen menschlichen Finger absägt, weil es nicht begreift, dass die betreffende Frau eine Chirurgin ist und der betreffende Finger sich nicht mehr retten lässt“, schreibt er. Anders ausgedrückt meint dies: Wenn wir Dinge im Zusammenhang betrachten, können „gut“ und „schlecht“ die Seite wechseln. Zudem ist „schlecht“ nicht gleichzusetzen mit „böse“, wie Eagleton, einer der wohl bedeutendsten lebenden Kulturtheoretiker, in einer brillanten tour d’horizon durch Belletristik, Philosophie und Geistesgeschichte von Jane Austen bis Slavoj Žižek demonstriert.

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