Ausgabe Dezember 2012

Ein universeller Grenzgänger

Ja, es gibt sie noch, die wohltuend undogmatische, weder ins Opportunistische noch ins Gegenteilige gewendete, so kritisch wie selbstkritisch gebliebene, an Realität geschulte und von Utopie beflügelte Linke. Für sie steht der Name Ekkehart Krippendorff.

Der deutsche Professor, der lebenslang seinen Wurzeln im Halberstädtischen Nachkriegsdeutschland nachspürt, blieb für viele immer ein Außenseiter: Für die Politischen ist er der 68er, für die Rechten der Linke, für die Konservativen der Antiamerikanist. Nun ist Ekkehart Krippendorff in einer Autobiographie seinem Leben selbst nachgegangen. Er spricht es mit entwaffnender Offenheit aus: „Niemandem ist seine postmortale Existenz wirklich gleichgültig.“ Daher möchte er sich selbst und den Nachgeborenen die Zeit erklären, in der sich alles Glück und Unglück abgespielt hat, „nicht im Sinne prätendierter Wichtigtuerei, sondern im Sinne menschenrechtlich begründeter Würde“. Das ist ihm fulminant gelungen.

Krippendorff reflektiert sein Leben anhand von zehn unterschiedlichen, nebeneinanderliegenden, auch ineinander verschränkten Lebensfäden. Unter den Stichworten Krieg, Theater, Universitäten, Nationalismus, Amerika, Juden, Italien, DDR, Musik, Religion hat er seine Lebensfäden verwoben, sich aber nicht darin verstrickt.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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