Ausgabe Mai 2015

Das neue Grauen

Bild: Screenshot »Brennpunkt« (ARD), 24.3.2015

Ist etwas passiert in der Welt, das „uns“ nahegehen soll, erscheinen Zeitungen und Sondersendungen nicht mehr nur mit breiten Schlagzeilen und Breaking-News-Symbolen, sondern mit Trauerrand und schwarzen Schleifchen. Die Nachrichtensprecherinnen passen ihre Stimmlage und Mimik dem Anlass an, derweil sich die Moderatoren im Studio, die Reporter vor Ort und die angereisten Politiker gleichermaßen „geschockt“, „erschüttert“, „fassungslos“ und „entsetzt“ zeigen über die „furchtbaren“ Ereignisse. Alle zusammen bekennen vor laufender Kamera, mit ihren Gedanken „zuerst bei den Angehörigen“ zu sein.

Die seit langem intensivste Emotionalisierungswelle der Berichterstattung begann im Januar d. J. anzuwachsen. Terroristen hatten die Redaktion des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ und einen Pariser Supermarkt überfallen und dabei zwölf Menschen getötet. Eine Woche lang beherrschte das Ereignis die Medien so sehr, dass andere „Schreckensmeldungen“ kaum durchdrangen. Die psychologische Verarbeitung der „unvorstellbaren“ Tat von Paris hatte Vorrang. Und der mediale Drang, den Lesern und Zuschauern etwas vortrauern zu müssen, steigerte sich noch, als am 24. März ein Flugzeug der Lufthansa-Tochter Germanwings mit 150 Menschen an Bord in den Alpen zerschellte. Für die 150 Studenten, die am 2.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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