Ausgabe Juni 2019

Macrons autoritärer Schwenk

Als reaktionär kritisierte »Blätter«-Redakteur Steffen Vogel in der April-Ausgabe die französischen Gelbwesten. Dagegen forderte die Autorin Nicola Liebert im Mai-Heft, gerade Linke dürften sich nicht von einer Bewegung der Deklassierten abwenden. Doch beide Sichtweisen greifen zu kurz, entgegnet die freie Journalistin Lea Fauth.

Die Bewegung der „Gilets Jaunes“ verwirrt, weil sie schwer fassbar ist. Sie ist dezentral organisiert und präsentiert sich in jeder Stadt anders. Sie hat sich bisher von keiner Partei vereinnahmen lassen und verschmäht all jene unter ihnen, die sich als Führungspersonen geltend machen wollen. Klar ist aber: Die Bewegung ist weitaus diverser, als es in den Beiträgen von Steffen Vogel und Nicola Liebert[1] durchscheint.

Anders als Vogel schreibt, waren etwa Rentner*innen sehr wohl in der Bewegung präsent, zumindest am Anfang, als erste Kreisverkehre besetzt wurden.[2] Bis Januar gab es noch die „Gelbwestenfrauen“, die ebenso wie hunderte Schüler*innen friedlich demonstrierten. Auch der „Marsch für das Klima“ ging Mitte März gemeinsam mit den Gelbwesten auf die Straße. In den südfranzösischen Städten Saint-Andiol und Trèbes blockierten Gelbwesten zusammen mit Umweltkollektiven die Fabriken von Monsanto.

Es ist also eine ziemlich schillernde Bewegung, die derzeit in Frankreich wütet.

Sie haben etwa 10% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 90% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Politik vor Recht: Die Aushöhlung der liberalen Demokratie

von Miguel de la Riva

Als der FPÖ-Chefideologe und heutige Parteivorsitzende Herbert Kickl im Januar 2019 in einem ORF-Interview darauf angesprochen wurde, dass seine Asylpläne an die Grenzen von EU-Recht, Menschenrechtskonvention und Rechtsstaat stoßen, antwortete der damalige österreichische Innenminister, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

von Thorben Albrecht, Christian Krell

Spätestens seit Ralf Dahrendorfs berühmt gewordener These vom „Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts“ gehören SPD-Niedergangsprognosen zu den Klassikern der parteibezogenen Publizistik. Die Partei hat diese Prognose bisher um 42 Jahre überlebt. Aber das konstituiert keine Ewigkeitsgarantie.