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Nichts an Weihnachten ist so heilig wie das Weihnachtsgeschäft. Zumindest jenen Politikern und Ökonomen, die zuhauf vor der Horrorvision des Dezember-Lockdowns erstarren. Sie warnen, die umsatzstärkste Zeit des Jahres dürfe nicht dem Gesundheitsschutz geopfert werden. Dass aber längst eine Gefahr im Verzug ist, gegen die weder Onlinehandel noch Impfungen helfen, haben sie dagegen noch gar nicht bemerkt.
Denn den Apologeten des Kaufrauschs stellt sich ein viel mächtigerer Gegner als das Corona-Virus entgegen: Das Oberhaupt der weltgrößten Institution erhebt seine Stimme. In seiner Enzyklika „Fratelli Tutti“ wünscht Papst Franziskus tatsächlich den Kapitalismus zur Hölle und geißelt die Ideologie des Immer-Mehr. Offen feindet er die Marktwirtschaft und das Dogma des konsumgetriebenen Wachstums an.
Selbst engsten Vertrauten gelingt es nicht, diesen offenbar zu allem entschlossenen Mann einzuhegen. Nicht einmal eine gezähmte Variante des Kapitalismus ist mit ihm zu machen: Berater, die ihm die „soziale Marktwirtschaft“ aufschwatzen und in die jüngste Enzyklika hinüberretten wollten, ließ der Pontifex eiskalt abblitzen. Wer meine, „dass es nur um ein besseres Funktionieren dessen geht, was wir schon gemacht haben, oder dass die einzige Botschaft darin besteht, die bereits vorhandenen Systeme und Regeln zu verbessern“, der sei schlicht „auf dem Holzweg“, ließ Franziskus die Menschheit wissen.
Vorhandenes zu verbessern, reicht dem Stellvertreter Christi auf Erden offensichtlich nicht: Der Papst plant den Systemumsturz. Prominente Wirtschaftswissenschaftler treibt das auf die Barrikaden. Als gelte es, dem Papst den antikapitalistischen Beelzebub auszutreiben, machen sie Front gegen den Mann aus dem Petersdom.
Immer vorneweg: Clemens Fuest, habilitiert beim Papst des Neoliberalismus, Hans-Werner Sinn, und inzwischen dessen Nachfolger als Präsident des Münchener ifo-Instituts. Der Vertreter der reinen, heiligen Ökonomenlehre rotierte im Kreise, als er gewahr wurde, dass ein einst so verlässlicher Partner wie die katholische Kirche plötzlich von Sahra Wagenknecht besessen zu sein scheint. Hatte man nicht über Jahrhunderte wunderbar kooperiert? Und plötzlich soll das kapitalistische Menschenbild nicht mehr dem der katholischen Kirche entsprechen. Der Hilferuf aus München konnte drastischer nicht ausfallen: So etwas könne Menschen doch glatt dazu verleiten, vom kapitalistischen Glauben abzufallen und sozialistischen Heilsversprechen zu erliegen!
In der Tat, der stets hellwache Fuest hat den Braten gerochen. Den Kapitalismus abschaffen? Nationalstaaten durch eine „rechtliche, politische und wirtschaftliche Weltordnung“ ersetzen, die die Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt? Solidarität statt Habsucht? Die Schöpfung erhalten, anstatt sie hemmungslosem Raubbau zu opfern? Wo kämen wir da hin!
Nein, das ist nicht die gute alte Weihnachtsbotschaft, die wirtschaftskrisengeplagte Unternehmensbosse und steuerhungrige Volksvertreter drängender denn je verkünden: „Kauft euch von allen Sünden frei.“
Was der Papst da fordert, ist ein Aufruf zur Revolution. Kommunismus statt Konsumismus, so schallt die Botschaft von Rom aus über den Erdenkreis. Christen, hört die Signale! Dieses Jahr kommt Marx unter den Baum und obendrauf der rote Weihnachts-Engels.