Die Coronakrise als Zäsur und Chance
Die Coronakrise hält die Welt in Atem und verändert das Leben in rasendem Tempo. Vermeintlich fest verankerte Gewiss- und Gewohnheiten werden über Bord geworfen, Grundrechte und -regeln außer Kraft gesetzt, in Friedenszeiten historisch beispiellose und für Nachkriegsgenerationen eigentlich undenkbare Restriktionen individueller Freiheiten von den staatlichen Exekutiven beschlossen. Fest steht: Die Coronakrise ist eine neu- und einzigartige Krise. Dabei sind Krisen in modernen kapitalistischen Gesellschaften eigentlich nichts Außergewöhnliches, ganz im Gegenteil: Krisen sind in der Moderne geradezu omnipräsent. Aufgrund der Allgegenwart des Krisenbegriffs hat der Historiker Reinhart Koselleck einst sogar behauptet, dass sich die Krise „zur strukturellen Signatur der Neuzeit“ entwickelt habe.[1]
Tatsächlich gibt es wohl keinen anderen Begriff, der den öffentlichen Diskurs in vergleichbarer Weise prägt. Krisendiagnosen haben eine gewissermaßen permanente Konjunktur. Fortlaufend werden Ereignisse und Entwicklungen als krisenhaft beschrieben, der Krisenbegriff wird geradezu inflationär verwendet. Dafür gibt es zwei, eigentlich höchst widersprüchliche Gründe: Einerseits besitzt das Etikett der Krise als metaphorisches Instrument das Potential, pointiert und alarmierend auf gesellschaftliche Problemlagen aufmerksam zu machen.